Nachgefragt: Stefan Geiger
Als Solo-Posaunist ist Stefan Geiger den regelmäßigen Konzertbesuchern des NDR Sinfonieorchesters seit vielen Jahren wohlbekannt. Als diplomierter Kapellmeister ist er darüber hinaus aber auch der Mann für besondere Fälle am Dirigentenpult. Neue Musik, Film-Konzerte oder auch große Kammermusikwerke sind seine besonderen Steckenpferde, und so ist Geiger auch regelmäßig als Orchesterleiter zu erleben. Ende April ist es wieder soweit, wenn mit der "Game Music" eine neue Spielart sinfonischer Musik Einzug in den Konzertsaal hält.
Herr Geiger, Sie sind Solo-Posaunist im NDR Sinfonieorchester, diplomierter Dirigent und Vater dreier Söhne. Spielen Sie selber Computer-Games oder schauen Sie Ihren Jungs dabei nur über die Schulter?
Stefan Geiger: Ab und zu habe ich versucht bei "FIFA" mitzuhalten, nachdem ich aber inzwischen auch gegen meinen Jüngsten keine Chance mehr habe, lasse ich das. Eigentlich gehöre ich ja der "Generation-Pac-Man" an, und auch die Rampen zu "Donkey Kong" habe ich heimlich soweit erklommen, wie das Taschengeld für den Automaten gereicht hat. Mein tiefergehendes Interesse am Computerspielgenre hat sich aber tatsächlich erst über die Schiene der Spielemusik entwickelt, die mich mit ihren Möglichkeiten fasziniert.
Noch streiten die Gelehrten, ob Computerspiele eine Kunstform unserer Zeit sind oder nur ein Zeitvertreib für Teenager und Nerds. Was meinen Sie?
Geiger: Computerspiele sind Teil unserer Alltagskultur. Sie bieten einzigartige Möglichkeiten für Spieler und Spielemacher. Ich denke aber schon, dass man sehr viele Spiele einfach auch "Produkte der Unterhaltungsindustrie" nennen kann. Die sogenannten "Spiele für zwischendurch", die einen in der vollbesetzten U-Bahn so einsam erscheinen lassen, finde ich lästig. Andererseits gibt es Spiele, deren Produktionsbudget das von Hollywoods Filmproduktionen inzwischen weit übersteigt und deren Mittel dafür verwendet werden, mit Schauspielstars, kreativen Autoren und renommierten Komponisten zu arbeiten. Diese verhältnismäßig junge Form hat sich proportional zu den Rechnerleistungen rasant entwickelt.
Gibt es prinzipiell musikalische, künstlerische oder qualitative Unterschiede zwischen Musik, die für den Film, fürs Konzert oder für ein Computerspiel komponiert wurde?
Geiger: Der Unterschied ist einfach zu benennen: Film- oder Spielemusik ist "funktionale" Musik. Sie hat die Aufgabe, den Handlungsverlauf zu unterstützen, die Spannung zu tragen und für Emotionen zu sorgen. Ob und wie sie das schafft - an diesen Fragen muss sie sich messen lassen. Das klingt zunächst banal, ist aber in Wirklichkeit eine künstlerische Herausforderung.
Musik zu Computerspielen ist inzwischen ein riesiges, kaum mehr zu überblickendes Feld. Nach welchen Kriterien haben Sie die Stücke für Ihr Programm auf Kampnagel ausgewählt?
Geiger: Ich möchte gern zeigen, wie wichtig gute Musik zum Spiel ist. Wir werden Musik des Komponisten Garry Schyman präsentieren, der unter anderem von der "British Academy Of Film And Television Arts" für seine Musik zum Spiel "Bioshock" mit dem BAFTA für die beste Spielemusik des Jahres 2014 geehrt wurde. Das Orchester wird weiterhin mit Musik ganz junger Komponisten live Spieletrailer begleiten, die auf einer großen Leinwand zu sehen sein werden. Und bestimmt werden wir ein paar Zuhörer damit überraschen können, wie prächtig Musik von bekannten Spielen wie Angry Birds oder Super Mario, die man sonst nur piepsend aus dem Lautsprecher kennt, in gelungenen Orchesterbearbeitungen klingt.
Beim alle zwei Jahre stattfindenden GERMAN GAMESMUSIC AWARD leiten Sie das Landesjugendorchester Bremen. Ist Computerspielemusik Ihrer Erfahrung nach tatsächlich ein Weg, ein junges Publikum für sinfonische Musik und klassische Orchesterkonzerte zu gewinnen?
Geiger: Ich kann nicht sagen, wie viele der jugendlichen Zuschauer, die eventuell das erste Mal in einem Konzerthaus bei einem Sinfonieorchester waren, in der Folge zu weiteren Sinfoniekonzerten gegangen sind. Doch die Begeisterung der jungen Leute war deutlich hörbar. Einige junge Ersthörer haben es sich auch nicht nehmen lassen, dem Orchester nach dem Konzert Komplimente zu machen: "Ein Orchester klingt live ja so viel besser als Musik aus dem Lautsprecher"... Das Eis wäre damit jedenfalls gebrochen.
Das Gespräch führte Dr. Ilja Stephan