Nachgefragt: Rafael Payare
Rafael Payare gehört aktuell zu den gefragtesten Nachwuchsdirigenten. Jetzt kehrt der venezolanische Dirigent und Hornist mit Werken von Brahms, Ligeti und Bartók zurück ans Pult des NDR Elbphilharmonie Orchesters und besucht erstmalig dessen neue Heimat - die Elbphiharmonie. Julius Heile hat ihn gesprochen.
Sie stehen bereits zum zweiten Mal am Pult des NDR Elbphilharmonie Orchesters. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr Debüt im Jahr 2015 zum Abschluss der Festspiele Mecklenburg-Vorpommern?
Rafael Payare: Das war eine wunderbare Erfahrung und ich erinnere mich an eine besonders schöne Interpretation des Beethoven-Violinkonzerts mit Nikolaj Znaider und von Schostakowitschs Zehnter Sinfonie. Das Konzert fand in der St.-Georgen-Kirche in Wismar statt. Die Atmosphäre war fantastisch.
Und nun geht es für Sie erstmals in die Elbphilharmonie. Welche Erwartungen haben Sie?
Payare: Ich freue mich wirklich unglaublich darauf, in diesem neuen Saal zu sein. Ich habe ausschließlich Großartiges über ihn gehört und beeindruckende Bilder im Internet gesehen. Jetzt bin ich sehr gespannt darauf, die Elbphilharmonie selbst zu erleben.
Für die Konzerte hier haben Sie ein besonderes Programm zusammengestellt, das Johannes Brahms' berühmtes Violinkonzert mit seltener gespielten und jeweils vollkommen andersartigen Werken von György Ligeti und Béla Bartók kombiniert. Welche Idee steckt dahinter?
Payare: Auf der einen Seite wollte ich den wundervollen "deutschen" Klang dieses Orchesters auskosten - und das mit dem herausragenden Geiger Gil Shaham! Auf der anderen Seite wollte ich aber auch von den Vorteilen des Saals für Ligetis "Lontano" profitieren, wo wir eine breite Palette von Farben, Texturen und Klangschichten im Orchester sehr differenziert präsentieren und erleben können. In Bartóks "Wunderbarem Mandarin" schließlich kann das Orchester auch seine Virtuosität ausspielen.
Wenn Sie sich einen Konzertbesucher vorstellen, der mit der Musik György Ligetis noch gar nicht vertraut ist: Was könnte sein Interesse wecken?
Payare: Speziell bei "Lontano" und in dieser großartigen Konzerthalle kann man das Hören auf die verschiedenen Schichten des Orchesters mit einem Erlebnis mitten in der Natur vergleichen, wo all die unterschiedlichen Klänge, die die Natur zu bieten hat, in unser Ohr dringen. Nur dass es in diesem Fall eben keine Naturlaute, sondern die Klangfarben eines Orchesters sind, die einen umgeben.
Weniger idyllisch und sensibel geht es in Bartóks "Der wunderbare Mandarin" zu: Dieses Stück löste bei der Uraufführung 1926 in Köln einen großen Skandal aus. Können wir die krasse Modernität dieser Musik, die die Menschen damals schockierte, noch heute spüren?
Payare: Auf jeden Fall. Sie können das Gedränge einer Großstadt geradezu körperlich fühlen, ja, vielleicht sogar ihre vielfältigen Gerüche riechen. Und es spielen sich unheilvolle, verbrecherische Dinge in ihr ab, wenn die Gauner diese seltsame Person, den Mandarin, mit ihrer Trickbetrügerei bis in den Tod treiben. Alles dies spielt sich in einer fantastisch orchestrierten Partitur in Bartóks ganz eigener Musiksprache ab.
Am Anfang Ihrer musikalischen Laufbahn saßen Sie als Hornist selbst im Orchester. Heute stehen Sie als Dirigent davor. Wünschen Sie sich in manchen Momenten, die Position wieder zu wechseln?
Payare: Eigentlich nicht. Ich liebe das, was ich heute mache, auch wenn ich zugeben muss, dass die Hornparts etwa bei Brahms, Mahler, Strauss und Schumann so gut geschrieben sind, dass ich es manchmal vermisse, sie zu spielen.