Nachgefragt: Jan Lisiecki
Jan Lisiecki, als Sohn polnischer Eltern in Kanada geboren, ist dieses Jahr gerade 21 Jahre alt geworden und bereits seit ein paar Jahren auf den großen Konzertpodien dieser Welt unterwegs. Publikum und Kritiker feiern den jungen Pianisten enthusiastisch für sein uneitles und poetisches Spiel. Im September kommt Lisiecki nach Hamburg.
Mit den Auftritten in Hamburg und Lübeck geben Sie Ihr Konzert-Debüt beim NDR Elbphilharmonie Orchester. Für eine Aufnahme von Werken Chopins haben Sie allerdings bereits mit dem Orchester und seinem Ersten Gastdirigenten Krzysztof Urbański musiziert. Wie gestaltete sich diese Zusammenarbeit?
Jan Lisiecki: Es ist ein Geschenk, eine langfristige Freundschaft mit einem Dirigenten pflegen zu können, insbesondere wenn er in einem ähnlichen Alter ist wie man selbst. Ich hatte das Privileg, bereits unzählige Male mit Maestro Urbański zusammenzuarbeiten und dabei sowohl eine freundschaftliche als auch eine künstlerisch enge Verbindung aufzubauen. Bei der vergangenen Aufnahme für die Deutsche Grammophon, die im Januar 2017 veröffentlicht wird, hatte ich eine fantastische Zeit. Wir haben an langen und heißen Tagen im Juni unermüdlich gearbeitet, jeder hat alles gegegeben, was er hatte - und nun freue ich mich sehr auf die gemeinsamen Auftritte mit dem Orchester.
In den aktuellen Konzerten mit dem NDR Elbphilharmonie Orchester spielen Sie Robert Schumanns Klavierkonzert. Was bedeutet Ihnen dieses Werk?
Lisiecki: Es ist ein sehr spezielles Stück, das eine ganz besondere Zusammenarbeit zwischen allen Beteiligten erfordert – dem Orchester, dem Solisten und dem Dirigenten. Tatsächlich hat Schumann selbst in Essays beklagt, dass das Klavierkonzert zu seiner Zeit zu einem Showstück für Klaviervirtuosen mit begleitendem Orchester verkommen sei. Ich glaube, dass er in seiner Komposition diese Gattung auf einen neuen Weg führen wollte, indem er die Stimmen von Klavier und Orchester derartig miteinander verflocht, dass sie an manchen Stellen nicht mehr auseinanderzuhalten sind. In anderen Worten: Es ist ein bemerkenswertes Werk, das ich unglaublich gerne aufführe.
Wie erarbeiten Sie sich Ihre eigene Interpretation? Beschäftigen Sie sich eher mit den Strukturen der Musik oder beschäftigen Sie sich auch mit den "Geschichten hinter den Noten"?
Lisiecki: Ich glaube, dass die Musik für sich selbst spricht. Die Geschichte hinter einer Komposition ist immer wichtig und sollte niemals komplett ignoriert werden, aber Musik diente vielen Komponisten durchaus auch als eine Art Ausweg. Wie bei einem Roman muss man nicht unbedingt den Lebensweg des Autoren kennen, um seine Geschichte zu verstehen. Man muss nicht das Leben Shakespeares kennen, um Hamlet zu interpretieren.
Nun war ja ausgerechnet Schumann auch als Schriftsteller aktiv und hat viele Gedichte in Liedern vertont. Spürt man denn davon etwas in seiner Instrumentalmusik?
Lisiecki: Zweifellos gibt es große Sprachgewalt und Poesie in Schumanns Musik. Zuallererst war Schumann aber ein Vollblut-Musiker und dabei auch noch sehr gebildet und intelligent. Seine Musik ist daher eine einzigartige Mischung aus all diesen Eigenschaften und bietet dem Publikum gleichzeitig eine überlegte Struktur und großen Fluss.
Zum Schluss erlauben Sie mir eine persönliche Frage: Oft liest man über Sie in der Presse Urteile nach dem Motto "noch so jung, doch musikalisch schon so reif". Stört es Sie, wenn Ihr junges Alter thematisiert wird?
Lisiecki: Das Alter ist nur eine Zahl - und während die Uhr weiter tickt, wird diese Zahl nur größer werden. Meine Hoffnung ist, dass es nicht diese Zahl ist, die mich oder meine Darbietungen definiert, während ich natürlich gleichzeitig hoffe, in den kommenden Jahren noch immer weiter zu lernen, zu wachsen und mich weiterzuentwickeln.
Die Fragen stellte Julius Heile