Gegründet 1945: Die Anfänge des NWDR Sinfonieorchesters
Stand: 20.10.2020 | 18:00 Uhr
1 | 12 Zerstörung und Not auf der einen, Aufbruchsstimmung auf der anderen Seite - die Geschichte des Orchesters nimmt ihren Anfang in den Wochen und Monaten nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Das unzerstört gebliebene Funkhaus des Reichsenders Hamburg wird bei der Kapitulation der Stadt am 4. Mai unverzüglich von den Briten übernommen.
2 | 12 Der junge Intelligence Officer Major Jack Bornoff (1900-1973) initiiert als "Music Controller" des Alliierten-Senders Radio Hamburg die Gründung eines großen Radiosinfonieorchesters nach dem Vorbild des BBC Symphony Orchestras.
3 | 12 Auf einem Bauernhof in Holm (Kreis Pinneberg) treffen Bornoff und sein Offizierskollege Howard Hartog am 10. Juni 1945 den ehemaligen Generalmusikdirektor des Deutschen Opernhauses in Berlin Hans Schmidt-Isserstedt und verpflichten ihn drei Tage später als Gründungsdirigenten.
4 | 12 Kurz darauf beginnt die Suche nach Musikern: Fündig wird man vor allem im früheren Orchester des Reichssenders Hamburg sowie im aufgelösten Bruckner-Orchester Linz. Auch auf Gutshöfen und in Kriegsgefangenenlagern werden Musiker rekrutiert. In den Erinnerungen der ersten Orchestermitglieder ist die Rede von Auftritten in Scheunen, von geliehenen und notdürftig reparierten Instrumenten, von geflickter Kleidung und Hunger, aber noch mehr von Idealismus und Aufbruch.
5 | 12 In der Hamburger Rothenbaumchaussee beginnt die Probenarbeit. Der Spruch "Vi(el)brato gibt's und wenig Brot" soll damals als geflügeltes Wort die Runde gemacht haben. Zunächst gehören Aufnahmen zum Orchesteralltag, denn das täglich 10-stündige Programm von Radio Hamburg muss gefüllt werden.
6 | 12 Ende Juli 1945 im Studio 1: Der weltberühmte jüdische Geiger Yehudi Menuhin kommt nach seiner Konzerttour durch ehemalige Konzentrationslager nach Hamburg und nimmt mit dem Orchester das Violinkonzert von Felix Mendelssohn Bartholdy auf. Die Zusammenarbeit mit deutschen Musikern nur 2 Monate nach Kriegsende gilt als Zeichen der Versöhnung im Geiste der Kunst.
7 | 12 Das erste öffentliche Konzert spielt das Orchester am 1. November 1945 um 18 Uhr. Konzertort ist die unversehrt gebliebene Hamburger Musikhalle, die in diesen Tagen "Broadcasting House" heißt, weil der britische Soldatensender "British Forces Network" dort ebenfalls sein Domizil bezogen hat.
8 | 12 Auf dem Programm des ersten Konzerts stehen Beethovens "Egmont"-Ouvertüre, das Konzert für Violine, Violoncello und Orchester von Brahms sowie Tschaikowskys Sinfonie Nr. 5.
9 | 12 Das Doppelkonzert von Brahms nimmt in der Geschichte des Orchesters einen besonderen Platz ein. Es steht auf dem Programm des Gründungskonzerts. Oft übernehmen die eigenen Konzertmeister die Soloparts. So auch am 22. September 1947, als Erich Röhn und Arthur Troester das Werk unter der Leitung von Wilhelm Furtwängler spielen.
10 | 12 Umgefärbte Wehrmachtsuniformen - eine blaue Kombination, die gegen Kaninchenfelle getauscht wurde - Hauptsache, es ist ordentliche dunkle Kleidung. Auch zu Frackspenden wird im Radio aufgerufen. Im Herbst 1947 entsteht dann das erste Foto in einheitlicher Dienstkleidung: dem Frack.
11 | 12 Im Juni 1949 unternimmt das Orchester seine erste Tournee. Es geht nach Wiesbaden, Darmstadt, Frankfurt, Mannheim, Heidelberg, Tübingen, Karlsruhe, Baden-Baden und Kassel.
12 | 12 Die erste Auslandstournee führt die Musiker 1950 nach Paris. Unter der Leitung von Hans Schmidt-Isserstedt geben sie zwei Konzerte im Théâtre des Champs-Elysées. Es folgen Reisen nach England und Irland, Italien, in die Sowjetunion und die USA.