Nachgefragt: Alexander Lonquich
Der Pianist Alexander Lonquich, der in der Saison 2015/2016 Artist in Residence beim NDR Elbphilharmonie Orchester war, kommt am 13. November 2019 gemeinsam mit dem Signum Quartett in die Elbphilharmonie, dieses Mal als Gast der Reihe NDR das neue werk. Im Kurzinterview spricht er über die Werke seines aktuellen Konzertprogramms.
Alexander Lonquich, was würden Sie an Verbindungslinien sehen zwischen dem Erfindungsreichtum, den ungewöhnlichen musikalischen Ansätzen von Ives - und Schnittkes neuartiger, in vielen Werken offen zur Schau gestellten Polystilistik?
Alexander Lonquich: Schnittke sprach von der Utopie eines einheitlichen Stils, "bei dem die Fragmente der E- und U-Musik keine grotesken Einschübe wären, sondern Elemente einer mannigfaltigen musikalischen Realität". Etwas Ähnliches schwebte Ives schon 70 Jahre vorher vor. Denn bei sehr unterschiedlichen geschichtlichen und persönlichen Voraussetzungen waren beide auf Integration heterogener Elemente in einem höheren Ganzen bedacht.
Eines der Hauptwerke des Abends ist Schnittkes vielschichtige, große Violinsonate Nr. 2. Was ist das Besondere an dieser Komposition?
Lonquich: Die krude Gegenüberstellung postseriellen Materials und tonaler Bruchstücke, die immer in Form von Zitaten oder zumindest Anspielungen erscheinen, am deutlichsten durch die b-a-c-h-Chiffre vertreten. Auch der g-Moll-Akkord, mit dem das Werk beginnt und der sich später obsessiv wiederholt, entspringt z. B. der Ersten Symphonie von Schostakowitsch.
Das Ganze ist eine gnadenlose Auseinandersetzung sowohl mit der Repression künstlerischer Freiheit seitens der Sowjetunion als auch mit den Dogmen der westlichen Avantgarde, aber nicht zuletzt auch mit der eigenen Gespaltenheit.
Ives war ohne Zweifel einer der wichtigen amerikanischen Komponisten für das Klavier. Was stellt seine große Concord-Sonata für Anforderungen an den Interpreten?
Lonquich: In ihrer beispiellosen Originalität erfordert sie das Ablegen jeglichen gewohnheitsmäßigen Ansatzes. Man hat den Eindruck, dass selbst Tonblöcke, bei denen man zur Identifizierung von Orginalthemen oder Zitaten neigt, schon bei ihrem ersten Erscheinen vollständig gegen den Strich geschrieben sind. So als wenn Ives voraussehen würde, was man in bestimmten Momenten gerne spielen und hören würde - und einen stattdessen dazu zwingt, andere, eben kreativere Wege zu gehen.
Diese konsequente Gegen-den-Strich-Komponieren betrifft auch den Umgang mit Tempo, Rhythmus und Dynamik. Seitens des Spielers ist Wachheit wie auch ein großes Stück Eigenverantwortlichkeit erwünscht. Umso beeindruckender ist es, wenn bei all der programmatischen Unruhe, vor allem gegen Ende, in den Sätzen "The Alcotts" und "Thoreau" lyrische Inseln auftauchen.
Die Fragen stellte Richard Armbruster.