Nachgefragt: Klavierduo Tal & Groethuysen
Im Dezember war das Klavierduo Tal & Groethuysen erstmalig zu Gast in der Reihe NDR das neue werk. Yaara Tal und Andreas Groethuysen wollten sich eigentlich nur provisorisch für ein einziges Klavierkonzert zusammentun. Das ist mittlerweile dreißig Jahre her und die beiden gelten heute als eines der klanglich vollkommensten Klavierduos überhaupt. In den letzten Jahren haben sie ihren Schwerpunkt von der Literatur für vier Hände an einem Klavier hin zum Repertoire für zwei Klaviere verlegt.
Beim Konzert am 12. Dezember spielten Tal & Groethuysen ein spannendes Programm mit Werken von Tōru Takemitsu und Claude Debussy und bringen ein Werk von Florent Motsch zur Eurpäischen Erstaufführung ("Flux et reflux"). Vorab haben die beiden uns ein paar Fragen beantwortet.
Wie lernten Sie Takemitsus Konzert für zwei Klaviere und Orchester erstmals kennen, und wie würden Sie den Bezug zu Debussy beschreiben, den der japanische Komponist hier sucht?
Yaara Tal & Andreas Groethuysen: Wir stießen schon vor etlichen Jahren bei unseren Recherchen nach Kompositionen des 20. Jahrhunderts für zwei Klaviere und Orchester auf dieses Werk und haben es in den letzten Jahren öfters aufgeführt. Wir waren von Anfang an von dem Konzept fasziniert, bei enger Anlehnung an ein vorhandenes Werk eine neue Komposition zu schaffen. Immer wieder, aber nicht allzu oft gelingt es ja Komponisten unserer Zeit, alte Werke zu adaptieren und ihnen neue Klänge, neue Aspekte und interessante Zusammenhänge abzugewinnen. Wir denken dabei beispielsweise an Hans Zenders "Winterreise" oder Reinhard Febels Bach-Choralbearbeitungen.
Tōru Takemitsu ist ein Klangmagier, der durch höchst subtile Tonverbindungen und äußerst differenzierte Dynamikangaben mit den Klangkörpern ganz eigene Welten erschaffen kann. Das prädestiniert ihn dazu, sich an Debussy anzulehnen, der ja ebenso zu seiner Zeit ganz neue Klangwelten erschlossen hatte und auf geradezu magische Weise unerhörte Atmosphären und Stimmungen den Instrumenten entlocken konnte. Aber natürlich sind beide Komponisten vor allem auch durch die poetischen Vorstellungen verbunden, die Gewässer wie eben auch das Meer evozieren. In ihrem Hamburger Konzert steht auch die Fassung von "La mer" auf dem Programm, die Debussys Freund André Caplet für zwei Klaviere einrichtete.
Sie haben das Werk schon mehrfach gespielt - worauf ist zu achten, wenn man ein solch berühmtes Orchesterwerk in die Klangsprache des Klaviers übersetzt?
Tal & Groethuysen: Natürlich kann und soll man sich beim Spiel einer Transkription eines Orchesterwerkes nicht völlig von der übermächtigen Klangvorstellung des Originals lösen. Dennoch darf man auch sein Instrument nicht verleugnen, das nun einmal eine ganze andere Art der Klangerzeugung ausweist. Wobei das Besondere am Klavier ist, dass es durch seinen verhältnismäßig abstrakten und nicht wie andere Instrumente klangfarblich eindeutig festgelegten Ton vielleicht am stärksten dazu geeignet ist, Klangfantasien zuzulassen oder zu ermöglichen, die über den reinen Klavierklang hinausweisen. Wir stellen aber auch immer wieder fest, dass man gerade in der Klavierübertragung von Orchesterwerken ganz neue Hörerfahrungen machen kann, Strukturen oftmals viel besser erkennen kann, weil das Ohr eben nicht durch den Klangfarbenreichtum eines großen Orchesterapparates “abgelenkt" wird.
Manchmal erscheinen uns derartige Übertragungen wie die Schwarzweiß-Fotografie eines farbigen Originals, und eine solche kann einen durchaus erhellenden Effekt haben. Gleichzeitig muss einem beim Erarbeiten solcher Transkriptionen bewusst sein, dass oftmals in kürzester Zeit viel mehr wechselnde Aufgaben auf die Hände warten als in so manchem originalen Klavierwerk, was sie spieltechnisch oft zu einer großen Herausforderung macht.
Sie gelten als überaus entdeckerfreudig, was unbekannteres Repertoire für Klavierduo angeht. Welche zeitgenössischen Werke haben Sie in den vergangenen Jahren neben dem Konzert von Takemitsu, das Sie ja noch nicht lange spielen, einstudieren können?
Tal & Groethuysen: Insgesamt ist die Neuproduktion von Kompositionen für Klavier zu vier Händen oder für zwei Klaviere in den letzten Jahrzehnten nicht mehr so virulent wie noch zu Beginn des letzten Jahrhunderts oder gar im 19. Jahrhundert. Es ist wahr, dass wir ständig neues Repertoire entdecken, einstudieren und einspielen, dabei bilden aber Werke, die jünger als 30 Jahre sind, eher die Ausnahme.
Der Grund für diese Art Abstinenz liegt wohl darin, dass unsere ästhetische Vorstellung, was für Klänge ein Klavier hervorbringen sollte und wie sie produziert werden sollten, eine gewisse Einschränkung verlangt. Nicht alles was akustisch wahrnehmbar ist, ist auch adäquat als Ausdrucksmittel. Da liegt nun Takemitsu absolut auf unserer Linie.
Hin und wieder gibt es aber eben doch etwas Interessantes. Ein solches Werk haben wir oben bereits angesprochen. Es sind die Bach-Choralbearbeitungen durch Reinhard Febel, in denen er auf höchst raffinierte Weise einige Choralvorspiele für das Klavier zu vier Händen verfremdet, überhöht, klanglich neu beleuchtet hat, und zwar nicht nur als geschickte Spielerei, sondern durchaus auch mit musikalischen Wirkungen, die den erhabenen und erhebenden Geist dieser Musik neu beleben. Zur Zeit erarbeiten wir die Uraufführung einer Komposition Febels für zwei Klaviere, die auch wieder auf Bach basiert, und zwar auf der gewaltigen "Kunst der Fuge".
Die Fragen stellte Julius Heile.