Stand: 29.09.2014 11:00 Uhr

Nachgefragt: Moritz Eggert

Moritz Eggert im Porträt © Mara Eggert Foto: Mara Eggert
Keine Ahnung zu haben, bedeute mehr Macht für die eigene Intuition, so Moritz Eggert.

Moritz Eggert gilt als einer der mutigsten Performer in der neuen Musik. Am 8. Oktober kommt er gemeinsam mit seinem Kollegen Thierry Pécou zu einem Konzert in der Reihe NDR das neue werk nach Hamburg. Vorab hat er uns schon einmal drei Fragen beantwortet.

Täuscht der Eindruck, oder finden Sie es mittlerweile eigentlich langweilig, nur bei den gängigen, "traditionellen" Foren der neuen Musik aktiv zu sein - von Donaueschingen bis zu den Formaten des Rundfunks?

Moritz Eggert: Langweilig ganz sicher nicht, aber ich finde es nicht so interessant, mich als Komponist allein an eine bestimmte "Szene" zu wenden. Dort gibt es den Jargon der Insider und manchmal tendieren die Themen dazu, allein um sich selbst und ihre Relevanz für eine ganz bestimmte Klientel zu kreisen. Vielleicht bin ich naiv, aber eigentlich sollten Musik und Kunst generell erst einmal jedem offen sein, auch dem Nicht-Insider. Auch Modelleisenbahner und Pudelzüchter haben ihre eigene Szene und ihre Veranstaltungen, und das ist sicherlich auch in Ordnung so, aber mir würde das als Publikum nicht genügen.

Was sollte sich an Inhalten und Programmen der zeitgenössischen Musikszene ändern, was kann so bleiben?

Eggert: Was das künstlerische Talent angeht, so sehe ich eigentlich ein großes Potential, und es gibt zweifellos auch viele erfolgreiche Versuche, Konzertformen und deren Präsentation zu überdenken und neu zu erfinden, vor allem was die junge Ensembleszene angeht. Hier sind viele interessante Wege beschritten worden, die ich spannend finde. Die Freiheiten, die uns zur Verfügung stehen, werden aber manchmal zu wenig genutzt – man will dem Fachpublikum und dem Kritiker gefallen anstatt wirkliche Wagnisse einzugehen.

Grundsätzlich bleibt das schon oben beschriebene ewige Dilemma der "Szene". Einerseits bietet einem die Szene Sicherheit, Aufträge, Stipendien, Anerkennung des Fachpublikums, gleichzeitig ist sie aber auch ein goldener Käfig, der mit der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen nur noch wenig zu tun hat. Inwieweit da noch gesellschaftlich relevante Kunst entstehen kann, ist fraglich. Was wir eigentlich bräuchten ist also eine "Independent"-Musik der Moderne, eine wirklich radikale Abkehr von der Sicherheit der etablierten Strukturen.

Als Freund der Kulturförderung sähe ich diese Musik durchaus auch gerne in unseren staatlich geförderten Konzertsälen, Rundfunkhäusern und Opernhäusern, aber sicherlich muss eine solche Musik auch teilweise davon unabhängig sein, sonst kann sie nicht frei sein. Über kurz oder lang wird sich eine solche freie Musik aber meiner Meinung nach zunehmend etablieren, was auch mit dem zunehmenden Wegbrechen der etablierten Strukturen zu tun hat. Zum ersten Mal in der Geschichte der Musik haben Komponisten also eine Art Guerilla-Rolle, zwischen allen Fronten, man wird sehen wie sich das entwickelt.

"1,2,3" ist der Titel für das neue Stück in Hamburg, ein Auftragswerk des NDR. Was hat der Titel genau mit dem Stück zu tun, worum geht es in Ihrem neuen Werk?

Eggert: In meinem Stück habe ich musikalische Ereignisse streng an einen Satz aus neun "Befehlen" gekoppelt, die durch den Sampler ausgelöst werden. Die Musik reagiert also wie eine Art Pawlow'scher Hund auf bestimmte Vorgaben – Melodik zum Beispiel wird ein- und ausgeschaltet.

Natürlich interessiert mich dann dabei, wie unmenschlich eine solche Befehlsstruktur dann letztlich wird, oder ob die Musik sich Inseln der Freiheit erhalten kann, ob sie gegen die Bevormundung rebellieren kann. Und natürlich entspricht das ziemlich genau auch unserer zunehmend fremdgesteuerten Lebenswirklichkeit, in der uns Konzerne täglich vorschlagen, was wir als nächstes konsumieren wollen.

Die Fragen stellte Dr. Richard Armbruster.

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