Hamburg schnuppert spanische Luft
Blütezeit der schönen Künste
Im Rom des ausgehenden 17. Jahrhunderts, in dem schillernden, mondänen, römisch-katholischen Milieu, dieser gewagten Mischung aus Kirchenmacht und Kunstgenuss, Liturgie, Luxus und Libertinage, elitären Zirkeln und hemmungslosem Nepotismus, gedieh die Kunst wie selten zuvor und seither. Man mag diese "Blüte" unter moralischen Vorzeichen bedauern, musikhistorisch hingegen gibt es rein gar nichts zu bereuen.
Kapellmeister einer Königin
Der Sizilianer Alessandro Scarlatti jedenfalls fühlte sich hier ganz in seinem Element. Als junger Kapellmeister der zum Katholizismus konvertierten Schwedenkönigin Christina, die sich im römischen Exil ungehemmt den schönen Künsten hingab, schrieb Scarlatti 1684 das Oratorium über die christliche Märtyrerin Theodosia von Caesarea – ein "schreckliches Drama", wie der spanische Dirigent Eduard López Banzo sagt. Allerdings auch schrecklich schön.
Märtyrerdrama in neuer Fassung
Banzo hat die verwirrende Überlieferungsgeschichte unter die Lupe genommen, die verstreut in verschiedensten europäischen Bibliotheken erhaltenen Quellen gesichtet und für das Hamburger Gastspiel eine eigene Aufführungsfassung dieses Oratoriums erstellt. "Il martirio di Santa Teodosia" – diese Entdeckung verspricht nicht weniger als eine Sensation.
Große Meisterschaft und ein atemberaubendes Finale
Scarlattis Arien bezeugen mit bestechend klarer Charakterzeichnung die am Theater erprobte Meisterschaft des Komponisten, sie verraten die Menschenkenntnis und Psychologie, die präzise Affektsprache des hellsichtigen Musikdramatikers, der sich obendrein ein unerhörtes Finale ausdachte: "Der Schlusschor, der von allen Solisten gesungen wird, erweist sich als eine der atemberaubendsten Fugen, die der sizilianische Meister je geschrieben hat", so Banzo.
Konzertprogramm:
ALESSANDRO SCARLATTI
"Il Martirio di Santa Teodosia"
Oratorium in zwei Teilen
Al Ayre Español
Eduardo López Banzo Cembalo und Leitung
María Espada Sopran
Carlos Mena Countertenor
Fernando Guimarães Tenor
Luigi de Donato Bass