Nachgefragt: Amandine Beyer

Amandine Beyer im Porträt © Oscar Vazquez
Geigerin Amandine Beyer ist Mitbegründerin mehrerer Kammernsembles. Die Entdeckung von neuem Repertoire liegt ihr gleichermaßen am Herzen wie die Neuinterpretation großer Klassiker.

Unbekannte sind sie schon lange nicht mehr - und doch treten "Gli Incogniti" und Amandine Beyer am 30. Januar 2015 erstmalig in der Reihe NDR Das Alte Werk auf. Auf dem Programm stehen drei ihrer hochgelobten Corelli-Interpretationen. Zuvor haben wir die temperamentvolle Französin gefragt, was genau die Faszination dieser Musik für sie ausmache.

Sie haben einmal gesagt, Corelli sei eine Art "Alchemist, der es fertigbringt, dass man besser spielt und das Ensemble flüssiger klingt". Worin liegt das Geheimnis von Corellis Alchemie?

Amandine Beyer: Wenn ich das wüsste! Ich kann nur mit der Gruppe experimentieren. Ich denke aber, das hängt mit den verschiedenen Harmonien zusammen, die Corelli bringt. Nicht wegen komischer Sachen - Corelli ist ziemlich respektvoll mit dem Kontrapunkt -, es ist einfach die Harmonie-Reihenfolge und der harmonische Rhythmus: Es herrscht nie Hektik, es gibt einen total natürlichen Fluss für mich. Und das klingt sehr einfach.

Vielleicht weil er ein Geheimnis gefunden hatte, etwas, das er in den Sphären des Kosmos oder der Natur getroffen hat. Und das wirkt über die "Schwebungen" der Saite wie ein Balsam. Jede Stimme wirkt in diesem "Harmoniebad" und findet ihren Weg, mit wundervollen Linien bis in die Bratschenstimme!

Ihre Abschlussarbeit als Musikwissenschaftlerin haben Sie über Karlheinz Stockhausen geschrieben, und als Vorbild für die Kunst des Rubato benannten Sie Miles Davis. Beeinflusst die Auseinandersetzung mit Jazz und zeitgenössischer Musik Ihre Interpretationen Alter Musik?

Beyer: Natürlich! Ich habe nie Jazz gespielt, aber viel zugehört und ich spiele noch ziemlich viel moderne und zeitgenössische Musik, sowohl aus dem 20. als auch aus dem 21. Jahrhundert. Und ich habe Freunde, die sehr daran interessiert sind, mit historischen Instrumenten zu komponieren.

Als Kind habe ich mit der Blockflöte vieles dieses Repertoires genossen. All diese Unterschiede in Stil und Art und Weise, Töne in eine schöne, spezielle Reihe zu bringen: Das ist umwerfend und ich wünsche mir, immer mehr Repertoire spielen zu können. Mit Freiheit, mit Schwung, mit Geist, mit Liebe und mit Enthusiasmus.

Arcangelo Corelli wurde in der römischen "Hall Of Fame", dem Pantheon, beigesetzt. Nach seinem Tod entwickelte sich in England ein wahrer "Corellian Cult". Ist der barocke Geigenvirtuose Corelli so etwas wie der Ahnherr des Starkults in der Musik?

Beyer: Vielleicht. Aber das Gute an diesem unglaublichen Komponisten, auch wenn er gegen 1700 aktiv war, ist, dass er nie tot sein wird. Der Geist von der Musik von Corelli lebt weiter, schwebt da, wo seine Musik klingt, und das macht ihn so jung und einzigartig. Natürlich gehört er zum Pantheon und er ist eine "Figur" für alle Geiger, aber das hat nichts mit einem zu distanzierten Respekt zu tun, sondern einfach mit viel Dankbarkeit für die unglaublich schöne Musik, die er uns geschenkt hat.

Die Fragen stellte Dr. Ilja Stephan.

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