Dieter Glawischnig sagt Servus
Dieter Glawischnig, Chefdirigent der NDR Bigband, hat am 27. März 2008 im Hamburger Rolf-Liebermann-Studio des NDR unter dem Titel "winged by distance" sein Abschiedskonzert gegeben. Im Sommer hat der Österreicher nach jahrzehntelanger Mitarbeit den Sender verlassen. Nachfolger ist der renommierte Dirigent und Arrangeur Jörg Achim Keller.
Gleich zwei NDR Intendanten verabschiedeten Glawischnig: der kurz zuvor ausgeschiedene Jobst Plog sowie sein Nachfolger Lutz Marmor. Plog erwähnte in seiner Laudatio das Ende der 80er-Jahre drohende Aus für die NDR Bigband, das auch durch das Engagement Glawischnigs verhindert wurde. Marmor nahm das Thema auf und versprach, während seiner Intendanz würde der NDR Bigband "kein Häarchen gekrümmt". Glawischnig trat nach kurzem Dank für eine Solo-Darbietung an den Flügel. Dort spielte er rhythmisch betonte modale Improvisationen ohne erkennbar zugrundeliegende Kompositionen. Ein Thema ließ Glawischnig allerdings doch kurz anklingen: das Intro zu "Take the A-Train" - vielleicht ein ironischer Hinweis auf seine Heimreise nach, A wie Austria, Österreich, wo Glawischnig nach seinem Ausscheiden aus dem NDR wieder leben will. Danach spielte die Bigband unter Glawischnigs Leitung Eigenkompositionen des Dirigenten. Das Konzert wurde aufgezeichnet und war am 7. Juli im NDR Fernsehen zu sehen.
Bigband-Dirigent und Musikhochschul-Professor
Beim ausverkauften Abschiedskonzert waren erwartungsgemäß viele ehemalige Studenten Glawischnigs zugegen, darunter Johannes Klose, Pianist und Jazz-Referent des Landesmusikrats Niedersachsen. Klose lobt den einfühlsamen Unterricht seines früheren Professors, der sich jeweils an den individuellen Stärken seiner Studenten orientierte. Der ehemalige Student erinnert daran, dass Glawischnig in Graz den ersten Jazz-Studiengang Europas ins Leben rief, bevor er nach Hamburg kam. Dort legte er die Leitung des Studienganges vor fünf Jahren nieder.
Vor seinem 70. Geburtstag am 7. März feierte Dieter Glawischnig vor zwei Jahren sein 25-jähriges Jubiläum als Chefdirigent der NDR Bigband. Das gab Wolfgang Kunert, dem damals bereits im Ruhestand befindlichen Leiter der Jazzabteilung, Anlass, auf das Wirken seines Kollegen zurückzublicken: "Was Du alles Tolles auf die Beine gestellt hast: dass Du aus dem Tanzorchester von damals das moderne Jazzorchester von heute gemacht hast, dass Du die Achse von der Jazzabteilung der Musikhochschule zur NDR Bigband hergestellt hast, dass Du Dich Ende der 80er-Jahre erfolgreich gegen die Auflösung Deines Orchesters eingesetzt hast, dass Du mit der Band die Hauptstädte Europas und die Metropolen der Welt, wie zum Beispiel Peking, New York oder Mexico City bereist hast, dass Du mit Deinen Ernst Jandl-Kompositionen für den Bereich "Jazz und Texte" Bigband-Geschichte geschrieben hast. Jetzt wünsche ich Dir,(... ) dass Du die gewonnene Zeit als Pianist, als Komponist, mit vielen Büchern und - wie ich - mit einem gelegentlichen Glas guten Rotweins genießen kannst."
Bewegter Ruhestand
Glawischnig sieht sich allerdings nicht als jemanden, der "in Ruhestand geht": Klavierspielen, Komponieren, weitere Projekte mit "Jazz und Texten" stehen auf seiner Agenda. Sein letztes Jahr als Bigband-Dirigent sei übrigens eines mit der meisten Arbeit für ihn - nicht zuletzt wegen der Europa-Tournee mit dem Sänger Al Jarreau Ende 2007. Die Presse schrieb überschwenglich von der Leistung der NDR Bigband, auch der US-Star Al Jarreau zeigte sich begeistert. Der ehemalige NDR Intendant Jobst Plog: "Dieter Glawischnig hat die NDR Bigband entscheidend geprägt und wesentlich dazu beigetragen, dass der NDR heute über ein Jazzorchester der internationalen Spitzenklasse verfügt."
Grußwort zum 70sten
Der jetzige Leiter der NDR Jazzabteilung, Axel Dürr, verabschiedete Dieter Glawischnig anlässlich seines 70. Geburtstags ebenfalls mit Hochachtung. Er schreibt:
"Lieber Dieter,
wahrscheinlich bist Du der weltweit dienstälteste Big-Band-Leader. Ich vermute mal, dass niemand auf diesem Planeten so aus- und andauernd eine Big Band geleitet hat, außer vielleicht Duke Ellington und Count Basie. 27 Jahre sind eine lange Zeit. So etwas müsste eigentlich ins Guinessbuch der Rekorde. Es war nicht immer spaßig. Legendär ist Dein Auftritt bei "Einer wird gewinnen", damals begleitete die Band Heino. Du erschienst mit einem "Heino - Nein Danke"- Button auf der Bühne. Dein Dirigat war selbstverständlich perfekt. Überhaupt: Trotz Deiner Leidenschaft für ausschweifende, freie Improvisationen, allein oder gemeinsam mit Gleichgesinnten, hast Du Dich immer auch für andere Spielarten des Jazz eingesetzt. Musiker wie Al Jarreau oder Chet Baker wussten das sehr zu schätzen.
Du hast aus der NDR Bigband das gemacht, was sie heute ist: ein Klasse-Orchester. Vielen Dank und herzlichen Glückwunsch zum 70sten!"
Seinem Klasse-Orchester bleibt Dieter Glawischnig treu. Für einzelne Projekte kommt der Ruheständler als Gastdirigent wieder.