"Verschiedene Stimmen schaffen einzigartigen Sound!"
Der Trompeter Percy Pursglove freut sich auf die tägliche Zusammenarbeit mit Musikern, "die alle ihre eigene Stimme haben".
Zunächst einmal: Herzlichen Glückwunsch zum neuen Job! Für die freie Trompeten-Stelle in der NDR Bigband sind über hundert Bewerbungen aus der ganzen Welt eingegangen. Wie kann man sich so einen Bewerbungsprozess vorstellen?
Percy Pursglove: Solche Stellen wie die in der NDR Bigband sind eine totale Seltenheit und wenn so eine irgendwo ausgeschrieben wird, dann spricht sich das in der internationalen Musikergemeinde ruckzuck rum. Ich hatte das Glück, als Gastmusiker eingeladen zu werden, das heißt, ich war seit dem Frühjahr 2019 bei verschiedenen Produktionen dabei.
Ich hatte mir vorgenommen, einfach so gut zu spielen, wie ich nur kann und die Arbeit mit der NDR Bigband zu genießen - wie lange auch immer sie dauern würde. Dann rief irgendwann Ingolf Burkhardt aus der Band an und sagte mir, dass sie mich gerne fest dabei hätten und ob ich interessiert sei... Als ob man so eine Gelegenheit vorbei ziehen lassen könnte! (lacht) Ich habe also gesagt: Yep! Ich bin dabei!
Sie werden in der NDR Bigband an der Trompete zu hören sein, die Sie spielen, seit Sie sechs Jahre alt sind. Als Freelancer stehen Sie aber auch oft mit dem Kontrabass auf der Bühne. Zwei Instrumente, die unterschiedlicher kaum sein könnten, oder?
Pursglove: Ja, stimmt! Die Trompete ist ein Melodieinstrument mit hellem, metallischem Klang - der Kontrabass kann Harmonien spielen, klingt weich und tief. Mit Anfang 20 habe ich damit angefangen, weil ich damals totaler Fan von Klaviertrios wie dem Oscar Peterson Trio war und so einen Sound unbedingt auch selbst ausprobieren wollte.
Was ich dann total spannend fand: Die beiden Instrumente bilden ja sozusagen einmal das obere und einmal das untere Ende einer Harmonie ab. Auf der Trompete fühlt es sich an, als würde man sich mit dem eigenen Klang oben auf die Harmonien drauf setzen. Der Bass bewegt sich eher durch diese hindurch, ist in sie eingebettet und verstärkt ihren Charakter. Das im eigenen Spiel zu erleben, hat mein harmonisches Verständnis grundlegend erweitert.
Sie haben in Birmingham studiert und mit Auszeichnung abgeschlossen, bezeichnen aber vor allem Ihren anschließenden Aufenthalt in New York, der durch ein Stipendium gefördert wurde, als regelrechten Wendepunkt Ihrer musikalischen Biografie. Warum?
Pursglove: Damals hatte ich mich - trotz des abgeschlossenen Studiums - innerlich noch nicht komplett dafür entschieden, dass das Musikersein nun mein Berufsweg werden würde. Aber New York war zu diesem Zeitpunkt die Stadt, um Musik auf höchstem Niveau zu erleben. Ich habe mir dort fast jeden Tag Konzerte angehört und dabei gemerkt, wie hoch die Messlatte international lag und wie viel ich noch zu lernen hatte. Mir wurde bewusst, an welchen Punkten ich weiter arbeiten musste und auch wollte - und das so deutlich zu spüren, war zu dieser Zeit immens wichtig für mich!
Im Moment arbeiten Sie am Abschluss einer Doktorarbeit im Bereich Komposition. Woran forschen Sie genau?
Pursglove: Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit Vokalmusik beschäftigt - und dabei nicht nur mit professionellen Sängern, sondern auch mit Laien gearbeitet. Dabei interessierte mich besonders, wie man es schafft, mit einer Vielzahl von Stimmen in einem kompositorisch vorgegebenen Rahmen zu improvisieren.
Dazu habe ich mich mit erweiterten Notationssystemen auseinandergesetzt - in denen ich zum Beispiel Emojis oder Emoticons einsetze. Das ist total spannend, denn wir alle benutzen diese kleinen Hieroglyphen in Textnachrichten oder E-Mails und haben ein intuitives Verständnis dafür, was sie ausdrücken sollen. Wenn ich sie nun als Grundlage für musikalische Improvisation verwende, wissen damit alle etwas anzufangen - auch wenn sie keine Noten lesen können.
Neben Ihren eigenen musikalischen Projekten haben sie die letzten 15 Jahre als Dozent am Birmingham Conservatoire gearbeitet. Mit Ihrer Stelle in der NDR Bigband konzentrieren sie sich wieder voll auf das eigene Spielen. Gibt es etwas, worauf Sie sich besonders freuen?
Pursglove: Ich liebe es schon jetzt sehr, was für ein breites musikalisches Spektrum die NDR Bigband in ihren Programmen hat. Darunter findet sich eher Traditionelles genauso wie ganz Aktuelles. Zu sehen, wie sich derselbe Klangkörper in ganz unterschiedlichen Feldern bewegt, die alle irgendwie unter diese große Überschrift des Jazz fallen - das finde ich extrem spannend.
Und das Tolle ist, dass sich die Band aus ganz unterschiedlichen Stimmen zusammensetzt, die im Zusammenklang einen einzigartigen Sound ergeben. Und hier meine eigene Stimme hinzuzufügen, tagtäglich mit der Band zusammenzuarbeiten und die Musiker musikalisch und menschlich immer besser kennenzulernen - diese Aussicht finde ich absolut reizvoll!
Das Interview führte Jessica Schlage. (2020)