Claus Stötter, Trompete und Flügelhorn © Steven Haberland Foto: Steven Haberland

"Wissen, wie die anderen Musiker ticken"

Claus Stötter spielt Trompete und Flügelhorn in der NDR Bigband - auf klassischem Fundament. Die Bigband fasziniert ihn, weil die Musiker extrem gut aufeinander eingespielt sind.

Sie haben ursprüngliche klassische Trompete studiert. Kam die Liebe zum Jazz erst später?

Claus Stötter: Ich war eigentlich nie ein klassischer Trompeter, nie! Ich habe das wegen der instrumentalen Ausbildung studiert. Zum einen, weil es damals kaum die Möglichkeit gab, Jazz zu studieren. Zum anderen wollte ich Jazz auch gar nicht schulmäßig lernen. Ich habe davor und währenddessen immer Jazz gespielt, das war aber mehr "Learning by Doing". Die fundamentalen Instrumentaltechniken sind ja ohnehin die gleichen. Und auch in der Bigband gibt es immer wieder Parts, die einen klassischen Touch haben - die überlassen die anderen dann lieber mir.

Biografisches in Kürze

Jahrgang 1961, geboren in Heidelberg, aufgewachsen in Schwaben, lebt heute in Hamburg.

Instrumente: Trompete und Flügelhorn

Ab 1982 studierte er in Stuttgart klassische Trompete; gleichzeitig widmete er sich autodidaktisch dem Jazz. 1990 erhielt er den Jazzpreis Baden-Württemberg. Claus Stötter spielte als einer der wenigen Deutschen im Orchèstre National de Jazz. Die Duo-Konzerte mit Albert Mangelsdorff prägten ihn. Seine Band Stötters Nevertheless wird vom "JazzPodium" als eine der besten Live-Bands bezeichnet. Sein spannungsvolles und lyrisches Spiel macht ihn über die Grenzen Deutschlands hinaus zu einem gefragten Solisten.

Seit 1999 ist er festes Mitglied der NDR Bigband.

Sie haben mehrere Jahre im französischen Orchèstre National de Jazz gespielt. Wo sind die größten Unterschiede zu deutschen Jazz-Orchestern wie der NDR Bigband?

Stötter: Naja, da kommt man schnell auf die klassischen Klischee-Unterschiede zwischen Franzosen und Deutschen. Dort sind sie vielleicht ein bisschen gemütlicher, bis mal etwas losgeht. Was deutsche Bürokratie angeht, wird das Klischee allerdings widerlegt, denn die Franzosen sind viel bürokratischer als wir, finde ich.

Aber ansonsten kann man es schwer vergleichen, weil es so etwas wie die NDR Bigband dort überhaupt nicht gibt. Wenn man mit ein und derselben Band fünf Tage die Woche arbeitet, dann ist das eine ganz andere Dynamik als mit dem Orchèstre National de Jazz, das ja nur einige Monate im Jahr zusammenspielt.

Welche Dynamik in der NDR Bigband meinen Sie?

Stötter: Diese Kontinuität, dieses jahrzehntelange Zusammenspielen führt dazu, dass man extrem gut aufeinander eingespielt ist. Ich weiß genau, wie mein Nebenmann tickt: wie er Luft holt, wie er phrasiert, wie er denkt. Wenn man solange zusammenspielt, hat man im optimalen Fall die Möglichkeit, wirklich miteinander zu verschmelzen. Als Trompeter habe ich natürlich auch vorher viel Bigband gespielt, aber das hier ist schon eine Kategorie höher. Natürlich könnte immer alles noch besser sein, aber vom Klangresultat her ist die NDR Bigband schon eine Stufe höher als alles, was ich davor kennengelernt habe.

Was glauben Sie, bringen sie als "Typ" in die NDR Bigband ein?

Stötter: Ich glaube, ich bin relativ vielseitig und versuche, den verschiedenen Musikrichtungen gerecht zu werden. Ich gebe mir auch Mühe, die Partituren zu respektieren. Steve Gray beispielsweise, der leider verstorben ist, wollte seine Arrangements ausdrücklich nicht jazzmäßig frei interpretiert haben, sondern ganz genau so, wie er sie aufgeschrieben hat. Es fällt mir leicht, diesen Wunsch zu respektieren, aber ich weiß, dass es andere Musiker gibt, die sagen: Ich bin Jazzmusiker, ich habe das Recht auf Interpretationsfreiheit. Ich sage eher: Es ist toll, wenn jemand so konkrete Vorstellungen hat, und bin gerne bereit, das adäquat umzusetzen.

Was ist Ihnen lieber, Konzerte oder Studioarbeit?

Stötter: Ich bevorzuge auf jeden Fall Konzerte vor Aufnahmen, wegen dieser Energie des "Einmaligen". Bei Aufnahmen kommt immer eine andere Dynamik rein, die ich nicht so besonders mag. Ein Stress, auch wenn man vielleicht gar nicht so besonders nervös ist. Man ist viel mehr mit dem Kopf dabei und es gehen Dinge verloren. Im Studio klingt es einfach nicht so wie auf der Bühne. Ich muss gestehen, dass ich mir fast keine Aufnahmen anhöre, vor allem nicht, wenn ich sie selbst eingespielt habe. Das Spielen, das Erleben, gleichzeitig auf die anderen zu hören - diese Energie ist mir am liebsten.

Das Interview führte Jessica Schlage (2011).

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