"So inwandig wie möglich spielen"
Stefan Lottermann erklärt im Interview, warum ihm für sein Spiel auf der Posaune wichtig ist, Kontakt zu seinem Innersten zu finden.
Ihr Vater ist der Jazz-Autor Bruno Paulot. Hat er Sie zu dieser Musik geführt?
Stefan Lottermann: Zuhause lief immer Jazz, damit bin ich aufgewachsen. Ich musste auch immer zu Konzerten mit, die ich als Kind natürlich weniger zu schätzen wusste, aber mit der Zeit bin ich da hineingewachsen. Dadurch, dass mein Vater selbst Posaune spielte, bin ich wie selbstverständlich zu dem Instrument gekommen.
Ab meinem siebten Lebensjahr hatte ich regelmäßigen Unterricht, die ersten Jahre bei Joachim Ernst Bieber, Soloposaunist am Staatstheater Mainz, und später dann bei Prof. Martin Göss.
Albert Mangelsdorff hat Sie musikalisch sehr geprägt. Warum?
Lottermann: Weil er eine ganz starke Persönlichkeit war, die nie von seinem Weg abgekommen ist. Dasselbe hat er von uns jungen Musikern gefordert, ohne dass er es je explizit ausgesprochen hätte. Ihm war es wichtig, dass man sein Ding macht, wie er das ausdrückte, also authentisch ist.
Das einzige, womit man Albert verstimmen konnte, war, wenn er merkte, dass einer anfing etwas Raffiniertes spielen zu wollen, was aber mit seiner Persönlichkeit nichts zu tun hatte.
Was schätzen Sie an der Arbeit mit der NDR Bigband?
Lottermann: Ich schätze sehr, dass man hier durch die verschiedenen Musikwelten "surfen" kann, ohne dabei nur an der Oberfläche bleiben zu müssen. Man hat hier auch die Möglichkeit zu "tauchen".
Zum einen liegt das an den Musikern, von denen ja jeder Einzelne für sich steht. Ich bin seit 1998 in der Band, und nach wie vor höre ich den Leuten gerne beim Improvisieren zu. Zum anderen tragen dazu auch die Arrangeure bei, die speziell für die Band schreiben und ausloten, was aus uns herauszuholen ist.
Wie wichtig ist Ihnen das eigene Komponieren?
Lottermann: Ich bin mir bewusst, dass das Schreiben eigener Stücke für einen Jazzmusiker wichtig ist, und dass es da noch einiges zu tun gibt für mich. Schließlich erfährt man dadurch sehr viel über sich und über Musik. Aber es kostet halt viel Kraft und Zeit, um überhaupt in die notwendige Stimmung zu kommen. Das ist ja nicht wie einen Brief schreiben. Es geht darum, völlig losgelöst von dem, was wirkungsvoll erscheinen könnte, etwas in Noten umzusetzen, was wirklich ganz, ganz persönlich ist.
Wann sind Sie mit einem Konzert zufrieden?
Lottermann: Für mich ist das erklärte Ziel, so "inwandig" wie möglich zu spielen. "Inwandig" spielen heißt für mich, dass man wirklich versucht, den Weg in die Katakomben seiner Seele zu finden. Und diese Momente sind selten und sehr schwer zu erreichen. Wenn man es erreicht hat, ist es etwas Wundervolles! Wenn man es nicht erreicht hat, zieht man sich auch gelegentlich in sein Zimmer zurück und hadert mit sich.
Das Interview führte Jessica Schlage (2011).