"Work Smoothly": Bigband-Album mit Substanz
Nils Wogram ist vieles, nur eines ist er ganz bestimmt nicht: einfallslos. Wer den Posaunisten kennt, weiß, dass er niemals den einfachsten Weg wählt. Sein neues Album "Work Smoothly" hat der begnadete Leader kleiner Besetzungen tatsächlich mit einem großen Jazzorchester eingespielt: der NDR Bigband.
Das ist nicht seine erste Begegnung mit dem renommierten Klangkörper, denn bereits 2007 veröffentlichte er in dieser Kombination "Portrait Of A Band". Auf der neuen CD wird diese Episode jedoch nicht einfach fortgesetzt, sondern Wogram findet einen ganz neuen Ansatz, der seinem aktuellen Horizont gerecht wird.
"Ich wollte einfach richtige Stücke schreiben"
"Ich hörte mir viele historische Bigband-Aufnahmen an, und viele meiner Kollegen schreiben für Bigbands", erklärt Wogram. "Es gibt ja inzwischen viele freie Bigbands. Das Meiste davon ist unglaublich gut gemacht, die Spieler haben ein hohes technisches Level. Farben, Strukturen, der Rahmen, alles passt."
Was ihm bei alledem oft fehle, sei die Substanz. Irgendwas, das wirklich beim Hörer hängen bleibe. "Dass man nicht bloß so eine Wand auf sich zukommen sieht und davon beeindruckt ist, sondern Melodien, die für sich selbst sprechen. Ich wollte einfach richtige Stücke schreiben und nicht nur irgendwelches Material aus einer Keimzelle verwursten, um ein beeindruckendes Arrangement darüber zu erfinden.“
Fulminant und ausdifferenziert zugleich
Wograms Anspruch besteht darin, die klassischen Sektionen und Funktionsweisen der Bigband zu featuren und trotzdem etwas sehr Persönliches daraus zu machen.
Er beschneidet den Klangkoloss an keiner Stelle in seiner Wucht und Fulminanz, und doch sind die Storylines sehr kleinteilig. Die Vielfalt der Farben und Stimmen wird überhaupt erst möglich, weil Wogram neben der Band als Ganzes eben auch auf eine Vielzahl von individuellen Gestaltungsmöglichkeiten zurückgreift.
Überraschend neu und doch vertraut
Wograms intensive Beschäftigung mit den Möglichkeiten und der Historie der Bigband hat aber noch einen weiteren Nebeneffekt. Unabhängig von den konkreten Kompositionen, die der Posaunist für die Band geschrieben hat, erzählt er gleichermaßen auch die Geschichte der Bigband. George Gershwin, Duke Ellington, Count Basie, Henry Mancini, Quincy Jones, Gil Evans, Carla Bley und Django Bates - sie alle scheinen Wogram unaufdringlich über die Schulter zu schauen. Er kopiert oder imitiert nichts, aber er lässt diese Referenzen intuitiv zu.
Alles klingt überraschend und neu, und doch wirkt es auch vertraut und korrespondiert mit der progressiven Erinnerung. "Mir war wichtig, dass ich mich im Ergebnis nicht nur selbst als Frontmann wiederfinde, sondern dass sich auch alle beteiligten Musiker damit wohlfühlen."
Beeindruckendes Musiker-Line-up
Zum Wohlfühlen und Wiederfinden - nicht zuletzt im Sinne des Hörers - gehört auch Wograms Entscheidung, vertraute Musiker aus seinem Umfeld in die Produktion einzubeziehen. Mit dem in Frankreich lebenden Pianisten Bojan Z. hat er einen Gleichgesinnten hinzugezogen, dessen musikalische Weltoffenheit ihn schon auf dem Duoalbum "Housewarming" inspiriert hat. In Sachen Spielfreude, Humor und emotionale Intelligenz funken der Posaunist und der Pianist auf derselben Wellenlänge.
Drummer Jochen Rückert gehört aufgrund seiner Mitgliedschaft in Root 70 zu den Musikern, die mit Wograms Denkweise am engsten vertraut sind. Auch die Saxofonisten Steffen Schorn und Niels Klein haben schon öfter mit Wogram gespielt. In Rainer Tempel hat er sich schließlich für einen Dirigenten entschieden, der die NDR Bigband mit derselben Leichtigkeit leitet, mit der er selbst die Stücke komponiert hat. Tempel ist sich mit Wogram einig, dass Spirit wichtiger ist als Präzision.
Work Smoothly
- Genre:
- Jazz
- Label:
- nwog records
- Veröffentlichungsdatum:
- 8. Juni 2018