Jazz ist spielerischer Umgang mit Musik
NDR Bigband Saxofonist Lutz Büchner im Interview (2011)
Sie scheinen zu den Musikern zu gehören, die sich sehr geradlinig auf Jazz fokussieren. Oder trügt dieser Eindruck?
Lutz Büchner: Das tut er nicht! Ich habe mit 16 angefangen, mich für Jazz zu begeistern. Damals wurde ich von meinen Eltern auf ein Konzert mitgenommen, und dann hat sich das so nach und nach ergeben. Ich habe angefangen, mir viele Platten zu kaufen und weil ich aus Bremen komme, hatte ich das Glück, dort eine ältere Generation von Jazz-Musikern kennenzulernen: Ed Kröger und Uli Beckerhoff zum Beispiel. Die konnten mir natürlich tolle Plattentipps geben, so dass ich damals Miles Davis rauf und runter gehört habe und so immer weiter eingestiegen bin.
Was faszinierte Sie so am Jazz?
Büchner: Ich glaube, einfach die Tatsache, dass da improvisiert wird. Ich hatte davor klassischen Klarinettenunterricht und bin da immer wieder an meine Grenzen gestoßen. Beispielsweise wenn ich im Unterricht Etüden vorspielen musste und irgendwo auf der zweiten Seite eine damals für mich noch anspruchsvolle Stelle kam - da habe ich dann schon lange vor dieser Stelle darüber nachgedacht, dass sie gleich kommt und dadurch total unkonzentriert gespielt.
Durch den Jazz habe ich einen viel spielerischeren Umgang mit der Musik gefunden. Dadurch, dass ich improvisiere und mir selbst aussuchen kann, was ich wann spiele, finde ich viel besser in einen musikalischen Fluss. Das ist bis heute mein vorrangiges Ziel: ganz im Moment zu spielen.
Was schätzen Sie an der Arbeit in der NDR Bigband?
Büchner: Grundsätzlich die Herausforderung! Dadurch habe ich sehr viel gelernt, auch durch das Spielen mit unterschiedlichen Musikern, wenn wir Gäste haben.
Und dann passiert es auch hin und wieder, dass wir mit Arrangeuren zusammenarbeiten dürfen, die uns als Solisten sehr gut im Blick haben, und dann in meinem Fall nicht einfach eine Stimme für das Zweite Tenorsaxofon schreiben, sondern für Lutz Büchner. Wenn das passiert, dann sind das wirklich die tollsten Konzerte, weil dann die eigentliche Stärke dieser Bigband zum Tragen kommt: ihre Solisten, die alle außerordentlich gut sind, dabei aber aus völlig unterschiedlichen stilistischen Richtungen kommen. Das gibt der Band erst ihre eigene Farbe.
Würden Sie also die Arrangeure dazu einladen, sich von der NDR Bigband inspirieren zu lassen?
Büchner: Dazu ein Beispiel: Einer von meinen Lieblingsarrangeuren ist Michael Gibbs, der sehr von Gil Evans geprägt ist, einem der wichtigsten Arrangeure im modernen Bigband-Jazz. Und der wiederum - so hat mir Michael Gibbs einmal erzählt - ist manchmal zu den Aufnahme-Sessions seiner Projekte gekommen und hatte lediglich Skizzen der Stücke dabei, keine fertigen Partituren. Stattdessen hat er mit der Band ausprobiert, wer worüber am besten spielen kann. Dann hat er die Musiker zum Kaffee-Trinken geschickt und das Arrangement fertiggeschrieben.
Er hat sich also davon beeinflussen lassen, welche Farben die Solisten beisteuern können. Von dieser Arbeitsweise profitieren am Ende alle: Arrangeur, Musiker und nicht zuletzt das Publikum.
Wie viele Ihrer Kollegen haben Sie der NDR Bigband ja auch schon eigene Kompositionen vorgelegt. Wie fühlt es sich an, auf einmal selbst in der Rolle des Arrangeurs zu sein?
Büchner: Das ist auf jeden Fall etwas Besonderes! Ich bin nicht der allerschnellste Schreiber und habe also wochenlang am Klavier und am Computer gesessen und versucht, mir vorzustellen, wie das klingt, wenn die Bigband das Stück spielt. Und wenn die Musiker dann das umsetzen, was man sich so lange überlegt hat, ist das ganz toll, weil es immer viel wärmer und lebendiger klingt, als man sich das vorher hätte träumen lassen. Das ist unheimlich spannend, und dieser Moment, wenn die Aufnahmen dann fertig sind und man sie auch noch selbst gut findet, der ist wirklich einzigartig.
Das Interview führte Jessica Schlage.