Frank Delle: "Ein tolles, inspirierendes Umfeld"
Als Profi-Musiker ist Frank Delle eher Spätzünder - nachdem er zunächst etwas "Ordentliches" erlernt hat. Doch zu studieren und Musiker zu werden, war für ihn genau richtig.
Sie haben in der NDR Bigband über 15 Jahre lang Baritonsaxofon gespielt, bevor Sie 2016 auf die Stelle des Tenorsaxofons gewechselt sind. Was war der Grund für diesen Wechsel?
Frank Delle: In meinem Vertrag mit der NDR Bigband standen von Anfang an ganz viele Instrumente: Saxofone, Klarinetten und Flöten in allen Varianten und Lagen. Das Tenorsaxofon war aber schon immer mein Hauptinstrument, darin steckt meine ganze Leidenschaft. Was das Baritonsaxofon angeht, da bin ich am Anfang eher so reingeschliddert: Als es einen Notfall gab und man mich fragte, ob ich eigentlich auch Baritonsaxofon spielen würde, habe ich natürlich sofort ja gesagt - und auch dieses Instrument im Laufe der Zeit lieben gelernt.
Aber der Grund, aus dem ich als Jugendlicher überhaupt angefangen habe, Jazz zu spielen, war das Tenorsaxofon. Meine Eltern hatten damals viele Jazz-Platten und Aufnahmen der unterschiedlichsten Musiker. Und ich weiß noch, dass ich immer wie gebannt vor den Lautsprechern saß, wenn eine bestimmte Platte von John Coltrane lief, weil ich dieses Instrument einfach magisch und sexy und total faszinierend fand! Das Tenorsaxofon hat mich schon immer auf einer ganz tiefen Ebene angesprochen.
Bis heute spielen Sie in der NDR Bigband aber eben auch gelegentlich andere Saxofone, Flöten oder Klarinetten. Ist es nicht sehr herausfordernd, immer wieder zwischen den Instrumenten zu wechseln?
Delle: Es ist schon jedes Mal eine Umstellung! Als ich noch auf dem Bariton-Platz gespielt habe, haben zum Beispiel viele Komponisten gerne auch die Bassklarinette nachgefragt, weshalb ich die in der Zeit oft gespielt habe. Jetzt, auf dem Tenor-Platz, kommt das nur noch selten vor. Dadurch habe ich das Instrument auch nicht mehr so oft in der Hand - und wenn ich darauf dann doch mal gefordert werde, kostet es mich natürlich eine intensivere Vorbereitung als auf dem Tenorsaxofon, das ich ohnehin jeden Tag spiele. Trotzdem mag ich aber auch gerade diese Vielfalt an Instrumenten total gerne.
Nach der Schule haben Sie zunächst eine Ausbildung zum Musikalienhändler gemacht und auch einige Jahre in diesem Beruf gearbeitet, bevor Sie sich für den Weg des Profimusikers entschieden und dafür auch noch mal ein Musikstudium absolviert haben. Hat es Sie viel Überwindung gekostet, sich an diesen beruflichen Neustart heranzuwagen?
Delle: Überwindung kann man nicht sagen. Ich habe nach der Schule relativ lange mit der Ausbildung und auch einige Jahre danach in diesem Musikgeschäft ausgeharrt, weil mir das Leben als Musiker einfach nicht so richtig klar war. Ich habe ja nebenbei immer viel Musik gemacht und wollte der künstlerischen Arbeit ab einem bestimmten Punkt einfach mehr Raum geben.
Und je länger ich auch hier in der NDR Bigband spiele, desto mehr weiß ich es zu schätzen, dass ich mit der Musik als meiner Leidenschaft auch meinen Lebensunterhalt verdienen kann.
Seit 2001 sind Sie festes Mitglied der NDR Bigband - hat sich Ihr Arbeitsalltag dort im Laufe der Zeit eigentlich verändert?
Delle: Auf jeden Fall! Zum einen sind es wesentlich mehr Konzerte geworden. Während wir früher 20 bis 30 Konzerte im Jahr gespielt haben, sind es heute eher 60 bis 80. Dazu sind auch die Programme oft herausfordernder geworden. Die Musik, die heute für uns komponiert wird, ist über die Jahre deutlich komplexer geworden. Beispielsweise finden sich in den Programmen häufig verschiedene Ethno-Einflüsse, die zum Teil sehr speziell sind, viele unterschiedliche Rhythmen haben oder ähnliches. Das Niveau der Komponisten und Arrangeure ist insgesamt sehr hoch!
Was schätzen Sie an der Arbeit in der NDR Bigband besonders?
Delle: Da gibt es viele Aspekte. Zum einen ist es einfach großartig, in dieser hochkarätigen Band zu spielen, in der tagtäglich so tolle Musiker um einen herum sind. Diese Rahmenbedingungen zu haben ist eigentlich schon fast einmalig. Das sieht man auch, wenn es bei uns offene Stellenangebote gibt: Da bewerben sich wirklich Leute aus der ganzen Welt!
Das finde ich auch immer wieder motivierend! Denn natürlich ist es auch ein bisschen so: Wenn man seit 20 Jahren mit den überwiegend gleichen Musikern zusammenspielt, vergisst man manchmal, auf welchem hohen musikalischen Level wir hier eigentlich arbeiten. Daran wird man durch die begeisterten Reaktionen neuer Musiker dann wieder erinnert. Es ist schon ein tolles, inspirierendes Umfeld - und ich bin sehr froh, ein Teil dieses Ensembles zu sein!
Interview: Jessica Schlage (2019)