"Besser spielen durch Vertrauen"
Nach Jahren der Arbeit als Freelancer weiß Bassist Ingmar Heller heute: Die Arbeit in einer festen Band fördert Vertrauen und ein besseres Spiel.
Als Bassist der NDR Bigband spielen Sie im Grunde genommen nicht nur eines, sondern gleich zwei Instrumente: E-Bass und Kontrabass. Beide unterscheiden sich stark in Sound und Spielweise. Ist Ihnen ein Instrument näher als das andere?
Ingmar Heller: Eigentlich nicht. Es gibt natürlich eine ganze Reihe von Jazz-Bassisten, die nur Kontrabass spielen. Aber bei mir ist es so, dass ich mit E-Bass angefangen habe - und schon alleine deshalb auch einen guten Bezug zu diesem Instrument habe. In der NDR Bigband werden E-Bass und Kontrabass je nach Projekt eingesetzt - und dieser Wechsel macht mir auch total Spaß.
Auf beiden Instrumenten bleibt ja meine Aufgabe dieselbe: Nämlich den anderen Musikern eine gute rhythmische Grundlage zu bieten, auf der sie dann spielen können. Das geschieht immer im Zusammenspiel mit den Schlagzeugern, denn gerade in der Bigband ist es wichtig, dass diese musikalische Achse "Schlagzeug – Bass" gut funktioniert.
Dabei ist die Stelle des Schlagzeugers in der NDR Bigband ja nicht fest besetzt, sondern wird von wechselnden Gastmusikern bespielt. Wie wirkt sich das auf Ihre Arbeit aus?
Heller: Wenn ich ehrlich bin, ist das ein ziemliches Glück für mich, denn auf diese Weise habe ich die Möglichkeit, mit vielen tollen Schlagzeugern zusammenzuspielen. Da lernt man auf der einen Seite immer wieder neue Leute kennen, auf der anderen Seite gibt es aber natürlich auch bestimmte Schlagzeuger, mit denen wir immer wieder zusammenarbeiten. Dabei spielt jeder Schlagzeuger anders, hat seine eigene Stimme und ein bestimmtes musikalisches Vokabular.
Eines aber haben sie alle gemeinsam: nämlich, dass es wahnsinnig gute Musiker sind! Und ich sage bewusst "Musiker" und nicht nur "Schlagzeuger". Denn sie alle haben einen großen musikalischen Überblick, können gut zuhören, und es macht einfach wahnsinnig viel Spaß, mit solchen Leuten zu spielen!
Was schätzen Sie insgesamt an der Arbeit mit der NDR Bigband?
Heller: Was ich nach wie vor wirklich reizvoll finde, ist, dass wir im Grunde genommen jede Woche ein anderes Programm spielen. Und ich würde mal sagen, in ungefähr 80 Prozent der Fälle sind die Stücke, die wir einstudieren und dann in Konzerten spielen oder davon Aufnahmen machen, auch wirklich exklusiv für die NDR Bigband geschrieben. Oftmals weiß man erst mal gar nicht, was da jeweils auf einen zukommt!
Ich lasse mir oft die Noten schon vorher zuschicken, wenn es möglich ist, um mich vorzubereiten. Denn gerade als Teil der Rhythmusgruppe habe ich da auch die Verantwortung, die Noten nicht nur stur runterzuspielen, sondern die Stücke auch so zu gestalten, dass sie lebendig klingen. Dazu ist es immer gut, wenn man die Sachen schon im Ohr hat und sich darauf vorbereiten kann.
Nach inzwischen einem Jahrzehnt als festes Mitglied der NDR Bigband - macht sich langjährige Zusammenarbeit auch musikalisch bemerkbar?
Heller: Wir spielen ja tatsächlich fast jeden Tag gemeinsam und glücklicherweise ist es bei der NDR Bigband so, dass die Arbeitsatmosphäre sehr gut ist und das alles hervorragende Musiker sind. Und was ich tatsächlich festgestellt habe: Es wächst mit der Zeit ein musikalisches Vertrauen - ein menschliches sowieso, aber eben auch ein musikalisches. Und dadurch kann man tatsächlich nochmal anders und - wie ich finde - besser spielen.
Früher als Freelancer habe ich in zig verschiedenen Projekten gespielt, die sich manchmal nur für ein einziges Konzert zusammengefunden haben. Anfangs hatte ich deshalb auch die Sorge, dass es vielleicht nach hinten losgehen könnte, jeden Tag dieselben Leute in derselben Umgebung zu haben. Aber tatsächlich empfinde ich es heute als total positiv, so zu arbeiten.
Vor Ihrer Zeit in der NDR Bigband haben Sie auch viel als Studiomusiker gearbeitet und damals schon um die 60 Produktionen in unterschiedlichen Konstellationen eingespielt. Liegt Ihnen die Studioarbeit besonders?
Heller: In gewisser Weise schon. Ich bin da ja auch so ein bisschen reingewachsen als junger Musiker: Meine erste Platte hab ich mit 19 aufgenommen und von da an einfach immer mehr und mehr Erfahrung gesammelt. Das ist auf jeden Fall auch jetzt ein Vorteil, denn diese Erfahrung hilft mir, den Job hier bei der NDR Bigband gut zu machen.
Nichtsdestotrotz liebe ich es, auf der Bühne zu stehen und live zu spielen. Weil man da im direkten Dialog mit den anderen Musikern und dem Publikum einfach nochmal eine andere Atmosphäre kreieren kann. Glücklicherweise ist es bei Projekten mit der NDR Bigband oft so, dass wir am Anfang erst mal eine reine Probenphase haben, dann vielleicht ein, zwei Konzerte spielen und in der darauffolgenden Woche die eigentliche Studioarbeit beginnt. So kann man die Erfahrungen aus den Konzerten dann in die Aufnahmen einbringen, das ist optimal.
Das Interview führte Jessica Schlage (2019).