Wacken Open Air: Konzert-Momente von In Extremo, Alligatoah & Co

Stand: 01.08.2024 22:26 Uhr

Das Wacken Open Air 2024 fährt groß auf. 180 Bands und Solokünstler stehen auf den Musikbühnen. Alle Auftritte sehen? Selbst für gut organisierte Besucher unmöglich. Hier sind persönliche Konzert-Momente.

Alligatoah: "Als das Büro zerstört ist, nicken die Metal-Köpfe"

Eine junge Frau wird in einem Konzertpublikum von einem Mann auf Schultern getragen. © NDR Foto: Dominik Dührsen
Der Zwei-Menschen-Turm steht.

Zweite Konzert-Hälfte. Neben mir baut sich ein Zwei-Menschen-Turm auf, damit die Dame oben besser sehen kann. Wacklige Geschichte. Dann hält das Ding. Jubel bei den Herumstehenden. Sie haben es gepackt - und Alligatoah vorne auf der Bühne, bummelig 200 Meter enfernt, jetzt auch.

Anfangs wirkt das Publikum am Donnerstagabend nur neugierig auf diesen 34-Jährigen Ex-Rapper, der im Frühjahr ein Metal-Album rausgebracht hat. Je mehr es gegen 21 Uhr geht, je mehr nicken aber im Takt der deutschen Texte die Köpfe. "So raus" singt Alligatoah, so raus ist er aus der Rap-Ecke.

Rapper Alligatoah tritt auf dem Wacken Open Air auf. © NDR Foto: Dominik Dührsen
Nach "Willst Du" ist Alligatoahs zweiter Wacken-Auftritt nach 2022 beendet.

Wer Empfang hat (ich gehöre nicht dazu) bekommt vom Veranstalter offenbar eine Push-Meldung aufs Smartphone, dass der Platz vor der Louder-Bühne aufgebraucht sei. Alles voll. Im roten Rollkragen und roter Hose, die Felloptik abgelegt, zerlegt Alligatoah derweil die Büromöbel, die ihm auf der Bühne als Kulisse dienen.

Bei den ersten Mini-Regentropfen während dieses Festivals schwenkt der gebürtige Niedersachse noch mal auf alte Songs um, covered "Daylight" von den No Angels. Die Metal-Dame auf dem Zwei-Menschen-Turm neben mir stimmt da schon längst in jeden Song mit ein. Arne Helms, Reporter

Sweet: "In den 1970ern war ich noch lange nicht geplant"

Viele Menschen stehen vor einer Bühne und lauschen einem Konzert. © NDR Foto: Jörn Payman
Sweet versetzen unseren Autoren in den Zeittunnel.

Die Sonne kennt keine Gnade am Donnerstagmittag. Aber bei Sweet geht es melodiös zu - und der hymnische Hard- beziehungsweise Glamrock passt gut unter die Mittagssonne. Sowohl Hitze als auch Musik lassen die Zeit ein wenig still stehen. Kein Wunder: Als Sweet in den 70ern ihre größten Hits hatten - "Fox on the Run" oder "Ballroom Blitz" zum Beispiel - war ich noch lange nicht geplant. Eine schöne Zeitreise. Jörn Zahlmann, Reporter

Amalgam: "Ich bin gleichermaßen fasziniert wie verstört"

Zwei Metalheads spielen Gitarre auf einer Bühne. © NDR Foto: Jörn Zahlmann
Brachial, finster, psychedelisch: Amalgam.

Amalgam klingen ungefähr so wie sie aussehen: brachial, finster, psychedelisch. Prügel für die Ohren. Vor der kleineren W.E.T-Stage bahnen sich unerbittliche Soundwände aus der Unterwelt ihren Weg in rund 300 Metal-Hirne. Death, Thrash, Doom - an diesem Donnerstag in der Mittagssonne ist alles dabei. Ich bin gleichermaßen fasziniert wie verstört - und muss gleich erst mal fest in den Arm genommen werden. Jörn Zahlmann, Reporter

In Extremo: "In der Dämmerung sagt einer: 'Das ist schon geil'"

Mittwoch, In Extremo, 22:05 Uhr auf der Faster-Stage Die Sonne ist gerade untergegangen und Zehntausende Fans stehen an diesem ersten Abend vor der Bühne auf dem Holy Ground. Die Bühne ist noch leer, als Pyrotechnik an der Stage hochschießt. Dann ertönt eine Melodie von einem Dudelsack-Spieler, In Extremo legen los. In der Dämmerung höre ich einen Besucher neben mir mit Blick auf die Bühne gerichtet sagen: "Das ist schon geil." Und genau das denke ich in diesem Moment auch. Jonas Salto, Reporter

Flogging Molly: "Ein Konzert wie ein Pub-Besuch in Irland"

Flogging Molly, das heißt Folk Punk aus Irland, das heißt ein Konzert wie ein Pub-Besuch. Das Gefühl stellt sich schon vor dem Auftritt der Band ein, als ein Mann sein Trinkhorn am Eingang zum Infield abgeben muss. Dort spielt Flogging Molly am Mittwochabend zur Goldenen Stunde auf der Faster-Bühne.

.... © NDR Foto: Pauline Reinhardt
Goldene Stunde am Mittwochabend zu Flogging-Molly-Musik: mit Trinkhorn-Fans, Fidel, Flöte und Punk.

Und schnell wird es tatsächlich, nicht Headbangen-schnell oder Pogen-schnell, sondern Arme-schwingen-schnell und Beim-Nachbarn-einhaken-schnell. "Dankeschön Schatzis" und "Prost" sagt Sänger und Frontmann Dave King mehrmals während des Konzerts - wie ein betrunkener Ire zu Besuch in einer deutschen Kneipe, der ein paar landestypische Vokabeln ausprobieren will.

.... © NDR Foto: Pauline Reinhardt
Frontmann Dave King will das Positive im Leben sehen, trotz der Krisen der Welt. Das klingt aus fast jeder Zeile.

An diesem Abend spielt Flogging Molly auch viele neue Songs, die aber alle ähnlich klingen: Nach Folk, also Fidel und Flöte, und nach Punk, also mit Texten für die Freiheit und gegen die katholische Erziehung, unter der Dave King als Kind gelitten hat. Die irischen Wurzeln der Band zeigen sich in der Einstellung: Dave King will auf die positive Seite des Lebens schauen, trotz allem, was in der Welt passiert. Pauline Reinhardt, Reporterin

Bülent Ceylan & Band: "Angst, dass Ihr nicht lieb zu Papa seid"

Der Komiker Bülent Ceylan bei seinem Konzert auf der Bühne des Wacken Open Air. © dpa Foto: Axel Heimken
Am Ende hatten die Metalheads Papa Bülent ziemlich lieb.

Bülent Ceylan eröffnet am Mittwoch die große Faster-Bühne. Ohne Comedy-Programm, aber mit Metal im Gepäck. "Kennt ihr nicht von mir, oder?", fragt er in die Menge. Irgendwo da draußen, verrät er, steht seine Familie. "Die hatten ein bisschen Angst, dass Ihr nicht lieb zu Papa seid", sagt Ceylan, weil man von ihm nur Comedy erwarte.

Ist nicht so an diesem Tag. "Ich freue mich echt, vor Euch als Metal-Familie spielen zu können", sagt er. Die Metalheads feiern Ceylan, der als Special-Guest tatsächlich noch Peter Maffay aus dem Hut zaubert. Von dem erwartet nun keiner Comedy. Dominik Dührsen, Reporter

Adoramus beim Metal-Gottesdienst: "'Amen' aus Hunderten Kehlen"

Wacken: Ein Gottesdienst für Metal-Fans. © NDR Foto: Pauline Reinhardt
Adoramus aus der Schweiz: Christliche Musik mit Gitarre bei einem der größten Metal-Festivals der Welt.

Am Mittwochnachmittag erklingen die Kirchenglocken im Dorf. An der Tür stehen noch ein paar Metalheads mit Bier in der Hand. Erst mal austrinken, kein Alkohol in der Kirche erlaubt. Ich bin beim Gottesdienst, begleitet von der Metalchurchband Adoramus aus der Schweiz. Ein Konzert im Kirchengewand. Zur Begrüßung spricht nicht die Pastorin, sondern die Band spielt. Christliche Musik mit lauter Gitarre. Klarer Klang, deutsche Lyrics. Kirchen können Konzerte, der Sound ist top.

Leute wippen mit und zeigen die Pommesgabel. "Freut Euch, Ihr seid in Wacken", ruft die Pastorin wirkungsmächtig in die Menge. Sie ist ein bisschen aufgeregt, das merke ich ihr an - macht den Moment aber total sympathisch. Sie kann auch Entertainerin: "Wenn ich Amen sage, will ich ein lautes Amen von Euch hören." Die Menge übt einmal. Dann läuft es. "Amen" tönt es aus Hunderten Kehlen. Echter Metal-Spirit. Pauline Reinhardt, Reporterin

Wacken Firefighters: "Völlig losgelöst, wow, seeehr cooler Auftakt"

Ein Saxophon-Spieler auf dem Wacken-Festival. © NDR Foto: Tobias Gellert
Saxophonist André Schnura hat vor Wochen den EM-Fans eingeheizt - zum Festival-Auftakt steht er gemeinsam mit den Firefighters auf der Bühne.

Es war eher ruhig bei den Proben der Wacken Firefighters vor einer Woche. Am Mittwochmittag liegen jetzt Vorfreude und Anspannung in der Luft, Schweißperlen auf der Stirn des einen und der anderen. Passt das Set? Die Firefighters sind der erste Act am Eröffnungstag, und das seit dem Jahr 2000. "Wacken, Wacken, Feuerwehr" rufen die knapp 5.000 vor der Wackinger Stage schon weit vor 12 Uhr.

Und sie werden belohnt. Genau wie ich… Völlig losgelöst, Highway to Hell, Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben. Schlager, Pop, Metal. Und dass dann noch Saxophonist und Fan-Einheizer André Schnura, eines der Gesichter der Fußball-EM in Deutschland, bei ein paar Songs dabei ist: Wow! Passt! Ins Mikro sprechen wollte Schnura übrigens nicht. Sympathische Begründung: Er habe das noch nie gemacht und wolle "den richtigen Zeitpunktk" abwarten. Seeehr cooler Auftakt. Wacken - geht los! Tobias Gellert, Reporter

VIDEO: Wacken-Firefighters und André Schnura eröffnen Festival (3 Min)

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Menschen strömen auf eine große Bühne zu. © NDR Foto: Dominik Dührsen

Wacken Open Air: Der offizielle Festival-Start in Bildern

85.000 Menschen haben ein Ticket für das Wacken Open Air. Zehntausende von ihnen sind am Mittwoch bei der Eröffnung dabei. Bildergalerie

Die Scorpions spielen in der Dunkelheit auf einer hell erleuchteten Bühne beim Wacken Open Air © NDR Foto: Jörn Zahlmann

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Die Kult-Headliner begeistern auch nach Jahrzehnten noch. Auf der Louder-Bühne schreit ein Ex-Rapper. In der Dorfkirche kullern Tränen. mehr

Besucher des Wacken Open Air Festival feiern vor den Bühnen im sogenannten „Infield“. © picture alliance/dpa Foto: Axel Heimken

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 31.08.2024 | 19:30 Uhr

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