Zeitreise: Tod an der Küste - Hauke Haien und das Marschenfieber
Wie Hauke Haien an Malaria erkrankte und dadurch seinem Untergang entgegenreitet. Eine junge Frau und ihre Suche nach den Hintergründen von Theodor Storms legendärer Novelle "Der Schimmelreiter".
Hatte Hauke Haien, die Hauptfigur des "Schimmelreiters", Malaria? War er deshalb so willensschwach und ließ es zu, dass der Deich Schaden nahm? Entlang der Nordseeküste und der Marschen, an den großen Flüssen Schleswig-Holsteins, kannte man die Malaria seit Jahrhunderten. Die letzte große Epidemie war 1825 in Dithmarschen und in Nordfriesland, als durch die Februarflut große Teile des Landes in Morast verwandelt wurden. Kleine Pfützen sind die ideale Brutstätte für "Anopheles atroparvus", eine Mückenart. Sie kann Malaria übertragen. Im Norden hatte die Krankheit einen anderen Namen. Die meisten nannten sie Marschenfieber, aber auch Ernteseuche, Stoppelfieber, Drüddendagsfeber oder Dithmarscher Krankheit.
Theodor Storms Bruder ist Mediziner
Seit einem Jahr ist Wienke Niedermanner Bundesfreiwillige im Theodor-Storm Haus in Husum. Sie arbeitet in der Bibliothek, hütet den Nachlass, organisiert Veranstaltungen und natürlich setzt sie sich intensiv mit dem Werk Theodor Storms auseinander. Fasziniert ist sie auch von seiner letzten Novelle, die vielleicht seine Berühmteste werden sollte: "Der Schimmelreiter".
Die 19-jährige Wienke weiß, dass Theodor Storm seinen Novellenstoff akribisch recherchierte und selbstverständlich galt das auch für seinen "Schimmelreiter": die Geschichte vom Deichbauer Hauke Haien und seinem Kampf gegen das Meer. Wie konnte er den charakterstarken Mann in der Novelle glaubhaft schwächen? Er ließ ihn an Marschenfieber erkranken. Dafür beschaffte sich Storm Informationen bei seinem jüngeren Bruder Aemil, der in Kiel Medizin studierte und 1857 eine Doktorarbeit über das Marschenfieber schrieb. Später arbeitete er als niedergelassener Arzt in Husum.
Der Schimmelreiter wird krank
In der Novelle "Der Schimmelreiter" infizierte sich auch die Hauptfigur Hauke Haien am Marschenfieber, dass ihn "nach Neujahr" an den "Rand der Grube" brachte. Hauke Haien war sterbenskrank. Trotz Infektion arbeitete er weiter als Deichgraf. Dabei übersah er den schlechten Zustand der Deiche, die eines Tages brachen. Auch Hauke Haien starb.
Das Ende der Malaria?
Ende des 19. Jahrhunderts gab es kaum noch Malariafälle. Den Mücken fehlten die Brutplätze. Die Marschen waren weitgehend trockengelegt, die Flüsse begradigt und die Moore kolonisiert. Nachdem Wienke Niedermanner die Hintergründe der Novelle recherchiert hat, ist sie schockiert. Sie wusste nicht, dass so eine gefährliche Krankheit wie Malaria in ihrer Heimat überhaupt gab. Und, dass die Krankheit zurückkommen könnte. Durch Klimaerwärmung, Renaturierung und Reisefreiheiten steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Malaria wieder lokal ausbrechen könnte.
Die Malariamücke "Anopheles Atroparvus" hat überlebt, auch an den Küsten Niedersachsens und Schleswig-Holsteins.