Zeitreise: Frauenfußball in Krummesse - trotz DFB-Verbots

Stand: 05.11.2023 13:42 Uhr

Die Fußballrebellinnen in Krummesse, einem Dorf zwischen Lübeck und Lauenburg, gründen 1970 eine Fußballmannschaft - trotz DFB-Verbots. Und spielen dann schon bald vor großer Kulisse.

von Andreas Bell

Eine schwarzweiß Aufnahme zeigt Frauenfußball © Vintage Germany
Sie trainierten trotz DFB-Verbots: die Frauen aus Krummesse.

Das Angebot für Frauen in Sportvereinen ist bis Anfang der 1970er-Jahre meist auf Sportarten wie Leichtathletik, Turnen und Handball beschränkt. Das ist den Frauen in Krummesse zu wenig. "Wir wollten mal was anderes. Statt Gymnastik und Laufen wollten wir gern Fußball spielen", erinnert sich Waltraud Krüger. Die heute 86-Jährige ist damals Trainerin im Verein und gründet dann kurzerhand mit Handballerinnen und Leichtathletinnen die erste Fußballmannschaft im Krummesser SV.

Das DFB-Verbot

Frauenfußball ist allerdings gar nicht erlaubt - zumindest nicht in Vereinen des DFB. In einem DFB-Beschluss vom 30. Juli 1955 heißt es:

"Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand."

Den Krummesser Frauen ist das schnuppe: "Wir haben ja aber doch unser Spiel dann durchgezogen und einfach die Mannschaft gegründet. Und das hat wirklich Spaß gemacht", sagt die ehemalige Verteidigerin Ingrid Tiedemann schmunzelnd.

Das Training, die Männer und die Kommentare

Trainiert wird auf den Plätzen der Männermannschaften und an kalten Tagen in der Sporthalle der Schule. Eine Sporthalle gibt es im Dorf Krummesse nicht. Damals hat der Ort um die 1.500 Einwohner. Rund die Hälfte ist im Sportverein. Die Männer der Spielerinnen unterstützen ihre Frauen als Betreuer und Begleiter. Die Fußballherren und die Lokalpresse machen sich anfangs allerdings lustig mit Sprüchen wie "die Hupfdohlen trainieren wieder" oder "Frauen sollten doch besser zu Hause bleiben und sich um Haushalt und Kinder kümmern". 

Großer Auftritt mit Turnschuhen

Eine schwarzweiß Aufnahme zeigt Frauenfußball © Vintage Germany
Vor großer Kulisse: Krummesse gegen TSV Dänischburg endete 3:0.

Das DFB-Verbot wird im Spätherbst 1970 aufgehoben. Ein Jahr später, 1971, hat die Frauenmannschaft ihren ersten großen Auftritt. Es geht in einem Freundschaftsspiel gegen die Frauen vom TSV Dänischburg. Und das im Stadion an der Lübecker Lohmühle vor dem Ligaspiel VfB Lübeck gegen den 1. FC Phönix. Vor großer Kulisse, rund 9.000 Zuschauer, werden die Spielerinnen angefeuert. Die Krummesser Frauen tragen Handball-Trikots mit breitem weißen Kragen. "Wir hatten keine Fußballschuhe, wir haben in Turnschuhen gespielt. Wir, die erste Mannschaft, hat in Turnschuhen gespielt", Waltraud Krüger schüttelt den Kopf, als sie daran zurückdenkt.

Drei Tore, 50 D-Mark und ein Eis

Zwei ältere Damen auf einem Fußballfeld. © NDR Foto: Andreas Bell
Waltraud Krüger, damalige Trainerin der Krummesser Damenmannschaft.

"Ja, wie war das gewesen - der Ball kam so günstig an, und ich habe geschossen und dann auch reingetroffen. Und mein Sohn stand hinter dem Tor und hat 'das war meine Mami' geschrien": Mittelfeldfrau Ute Peckelhoff hat auch nach über 50 Jahren das erste Tor noch klar vor Augen. Am Ende gewinnen die Frauen aus Krummesse mit 3:0. Und bekommen dafür 50 D-Mark für die Vereinskasse, einen Fußball und für die mitgereisten Kinder gibt’s ein Eis.

Pionierarbeit und Aufbruchstimmung

Nach diesem bemerkenswerten Start ist Frauenfußball in Krummesse immer populärer geworden. Viele Mädchenmannschaften formieren sich in den darauffolgenden Jahren, schaffen es in die B-Oberliga und spielen mit um den Norddeutschen Pokal. "Eine erfolgreiche Bilanz", so der ehemalige Vereinspräsident Heiko Tiedemann und Sohn von Verteidigerin Ingrid Tiedemann, "wenn ich sehe, was meine Tanten und meine Mutter hier damals in Gang gebracht haben, das macht schon stolz."

Weitere Informationen
Dampflokomotive aus dem 19. Jahrhundert. © dpa - report Foto: Votava

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 05.11.2023 | 19:30 Uhr

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