Zeitreise: Die erstaunliche Karriere zweier Breaking-Pioniere
Anfang der 1980er Jahre wird Breakdance in Deutschland populär. Der Tanz begeistert den jungen Kieler Boris Leptin und ebenso Niels Robitzky aus Eutin. Später werden die beiden die ersten deutschen Breaking-Profis.
Breaking entsteht im Zuge der HipHop-Bewegung in den 1970er Jahren auf den Straßen der New Yorker Bronx und Manhattans. 1983 berichtet erstmals das deutsche Fernsehen über den Tanz, dessen Stars wie die "Rock Steady Crew" sind bald auch zu Gast in großen Unterhaltungsshows wie "Wetten, dass...". Der Schüler Boris Leptin aus Kiel blickt gebannt auf den Fernseher: "Das ist genau das, was ich gesucht habe, genau das, was ich schon immer machen wollte. Vorher hatte ich mich eher für Kampfsport interessiert. Und das war auf einmal Tanzen und Kämpfen quasi in einem. Eine Offenbarung."
Ein kurzer Boom
Schnell wird Breaking auch in Deutschland populär, von Flensburg bis München tanzen Jugendliche in den Fußgängerzonen. Ein kurzer Boom, schon Ende 1984 hören die meisten wieder auf und auch das Fernsehen berichtet nicht mehr. "Das wurde zuvor einfach total ausgeschlachtet. Und die meisten Tänzer waren einfach zu schlecht, das wollte keiner mehr sehen", sagt Boris Leptin. Aber er liebt das Tanzen sehr und macht daher weiter - auch als Breaking bei vielen schon wieder fast als "out" gilt. 1987 lernt er in einer Kieler Diskothek den Eutiner Niels Robitzky kennen - auch er einer der ersten Breaker im Land und nun als einer der wenigen noch aktiv. "Das Schöne war, dass wir uns da schon gegenseitig so gepusht haben", erzählt Robitzky. "Wir haben beide den Traum in uns verspürt, dass wir Tanz-Profis werden wollen."
"Battle Squad" wird berühmt
Fortan treten die beiden als Gruppe "Battle Squad" gemeinsam auf, bei HipHop-Jams im In- und Ausland. Als sie endlich das Abitur in der Tasche haben, verschicken sie Bewerbungsvideos. Eine Kassette geht ans Hamburger Hansa-Theater - und sie werden 1990 engagiert. "Wir haben dann erstmal Panik bekommen, weil wir im Video Kombinationen und Moves so zusammengeschnitten hatten, wie wir sie in Wirklichkeit gar nicht konnten. Ob die uns wohl gleich wieder feuern würden?"
Aber die Verantwortlichen des Varietés sind nicht so anspruchsvoll - einen Monat lang tritt "Battle Squad" täglich auf, das Hansa-Theater wird zum Sprungbrett für die beiden Schleswig-Holsteiner. Fortan werden sie in große Fernsehshows eingeladen, tanzen in Werbespots und verdienen genug Geld, um an den Ursprung des Breaking - nach New York - reisen zu können, wo sie auf der Straße tanzen - zur Verwunderung der Einheimischen. "Wir haben ja nicht mal gesagt, dass wir aus Kiel kommen, sondern lieber gleich Hamburg genannt. 'Ah, Hamburg, welche Linie fährt da denn hin?‘ Die dachten, man könne da mit der U-Bahn hinfahren und das sei vielleicht ein Stadtteil oder Vorort von New York."
Eine Verletzung stoppt den Erfolg
"Battle Squad" reisen um die Welt, haben Auftritte in Japan, Kapstadt und ganz Europa. Bis Boris Leptin - Künstlername "Swift Rock" 1996 starke Schmerzen an der Wirbelsäule bekommt, dazu Lähmungserscheinungen. Ein Dornfortsatz ist abgebrochen, ein Arzt sagt ihm sogar, dass er nie wieder tanzen können werde. Die Freunde orientieren sich neu. "Die Entscheidung lag dann nahe, dass Boris, der sich schon lange für Streetwear, den Ein- und Verkauf interessiert hat, einen Laden aufmacht. Ich habe mit meiner Frau gemeinsam eine Tanzcompany gegründet. So haben sich unsere Wege getrennt, aber wir haben uns nie aus den Augen verloren", sagt Niels "Storm" Robitzky, der heute in Berlin lebt und als Choreograph und Juror international anerkannt ist.
Boris Leptin führt sein Geschäft mit HipHop-Mode in Kiel. Und der Arzt lag damals mit seiner Diagnose falsch - Leptin kann wieder tanzen. "Und ich denke auch nicht, dass ich jemals damit aufhören werde."