Vermisst an den Feiertagen: Spürnasen sollen Leben retten
Wenn ein Mensch verschwindet, ist schnelles und effektives Handeln gefragt. Für Suchaktionen kommt neben der Feuerwehr auch oft ein Gespann aus Mensch und Tier ins Spiel: die Rettungshundestaffel.
Wenn Frieda das Rascheln in Jonas Jackentasche hört, dann weiß die junge Hündin Bescheid: Dann geht's los. "Und Trail!", ruft ihr Herrchen. Ab jetzt ist höchste Konzentration angesagt. Jona Klaus ist von Beruf Arzt. Frieda ist Azubi. Der Labrador-Schweizer Sennenhund-Mischling macht seit knapp zwei Monaten eine Ausbildung zum Rettungshund bei der Rettungshundestaffel des Arbeiter-Samariter-Bunds (ASB). Künftig wollen die beiden auch ehrenamtlich Menschen helfen.
Mantrailing: Gezieltes Suchen nach einer Person
"Die Ausbildung dauert meist zwischen zwei und vier Jahren", erklärt Svenja Bunte, die Hundetrainerin. Derzeit bildet sie für den ASB Regionalverbands Stormarn-Segeberg neun Teams aus Mensch und Hund aus. Bei Friedas Job ist ihre Spürnase das A und O. Um die zu perfektionieren, bekommt die schwarze Hündin beim Training einen sogenannten Geruchsträger: Ein Taschentuch an dem der Duft einer bestimmten Person haftet, die die Hündin nun suchen soll. Ein paar Sekunden daran schnuppern, dann auf das "Und trail!" vom Herrchen warten und los geht es. Mantrailing nennt sich diese Suchart.
Im Gegensatz zu Flächensuchhunden, die grundsätzlich die Fährte "Mensch" aufnehmen, muss der Hund beim Mantrailing eine bestimmte Person suchen und finden. Wenn also etwa ein Mensch aus einem Seniorenheim verschwunden ist, kommt der Mantrailing-Hund zum Einsatz. Er riecht zum Beispiel an einer Socke, nimmt die Fährte auf und sucht.
Erfolge sind so wichtig wie die Belohnung
Frieda wird Mantrailer. Ihre erste Suchstrecke heute ist nur knapp 90 Meter lang. Die "vermisste Person" hat sich hinter einem Baum versteckt. "Für Anfängerhunde wie Frieda ist es wichtig, dass die Wege erstmal kürzer sind, weil sie so schneller Erfolge erleben. Nur so bleibt ein Hund motiviert weiter dran", weiß die Trainerin. Zusätzlich werden für die vierbeinigen Azubis am Anfang auch Hecken oder Büsche am Weg mit dem Geruch der Person markiert. Frieda hat im heutigen Training den ersten Erfolg: Sie hat die vermisste Person gefunden. Zur Belohnung kramt diese ein Leckerli für Frieda aus seiner Tasche.
Der Hund führt, der Mensch interpretiert
"Aber fast noch wichtiger als die Nase des Hundes, ist eigentlich die Fähigkeit des Menschen, seinen Hund zu lesen. Das wissen viele nicht", erklärt Trainerin Svenja Bunte. "Das Herrchen muss genau erkennen können, was der Hund mit welcher Geste meint. Was es zum Beispiel bedeutet, wenn mein Hund den Kopf hebt oder einen anderen Gang einlegt." Denn es nütze wenig, wenn der Hund zwar die Fährte aufgenommen hat, der Mensch aber nicht wisse, wie er den Hund zu deuten hat. Hier zähle Teamarbeit. Und die müsse kontinuierlich geübt werden. "Zehn bis vierzehn Stunden pro Woche muss man dafür schon aufbringen und zwei bis drei Mal die Woche trainieren." Jona Klaus und Frieda üben regelmäßig. Bislang ist der 25-Jährige optimistisch: "Ein paar Dinge kann ich an Frieda schon erkennen. Wenn sie zum Beispiel ihren Kopf auffällig hochhebt, dann weiß ich, dass das ein Zeichen ist, dass sie abbricht. Also, dass sie keine Spur mehr hat", erzählt Jona Klaus.
Vermehrt Einsätze zur dunklen Jahreszeit
Pro Jahr bekommt die Retttungshundestaffel zwischen 20 und 70 Suchaufträge. Das Training in der Dunkelheit sei aus immer wiederkehrendem Anlass wichtiger Bestandteil der Ausbildung. "Im Winter und an Feiertagen, insbesondere zu Weihnachten, haben wir manchmal mehr zu tun. Da verschwinden öfter Menschen aus dem Seniorenheim, wollen zum Beispiel zu ihren Familien. Am Ende verlaufen sie sich dann um Dunklen." Darunter sind immer wieder auch Menschen mit Demenz. "Wenn die Feuerwehr dann im Dunkeln an ihre Grenzen kommt, dann kommen wir auch ins Spiel", erklärt Svenja Bunte. Was für die Menschen eine Herausforderung ist, ist für die Hunde kein großes Problem. Auch Frieda zeigt sich von der Dunkelheit recht unbeeindruckt. Ihr zweiter Trail, 20 Meter länger als der erste, läuft sogar noch besser.
Wetter bestimmt die Laufleistung
Im Einsatz müssen die Hunde manchmal auch mehrere Kilometer zurücklegen. Das hängt davon aus, wie viele Teams gerade Zeit haben. Sind mehrere Hunde im Einsatz, können die Strecken aufgeteilt werden. Ein anderer wichtiger Faktor ist laut Trainerin aber auch die Temperatur: Wenn es warm ist, läuft ein Hund weniger und die Tiere müssen schneller ausgetauscht werden.
Noch zwei bis drei Jahre Ausbildung
Am Ende des Trainings kommt dann noch ein Profiteam zum Einsatz. Die Vorbilder von Jona und Frieda, wenn man so will: Jessica Reese und ihre Hündin Lena. Seit vier Jahren trainiert das Gespann und steht kurz vor der Prüfung. Und weil beide so fortgeschritten sind, ist auch ihr Training härter: Etwa 300 Meter Strecke muss Lena absuchen - und der Mensch ist in einer Tankstelle versteckt. "Das ist natürlich eine Herausforderung, weil Lena mit Autos, verschiedenen Gerüchen und Menschen und auch einer Tür konfrontiert sein wird", erklärt Svenja Bunte. Aber genauso herausfordernd könnte eben auch ein Ernstfall sein. Lena wuppt den Trail ohne weitere Irritationen. Sie findet die "vermisste" Person in der Tankstelle, holt sich zur Belohnung bei ihm ein Leckerlis ab. "Das ist genau unser Ziel, so soll es bei mir und Frieda auch bald laufen", meint Jona. Er hofft, dass er und seine Hündin in drei Jahren mit der Ausbildung fertig sind. "Ich bin da aber ganz zuversichtlich", lacht er.