Rekord-Läufer mit 85 Jahren: Fokke Kramer rennt allen davon
Seinen ersten Wettlauf hat Fokke Kramer im Alter von 69 Jahren bestritten und seitdem in seinen Altersklassen alles gewonnen. Er trainiert jeden zweiten Tag. Sein Hauptkonkurrent ist 86 Jahre alt.
"Ich mach' eigentlich gar nichts Besonderes. Ich laufe die ganze Zeit nur geradeaus, einen Fuß vor den anderen", sagt Fokke Kramer. Nur das spitzbübische Lächeln lässt erahnen, dass auch ihm bewusst ist, wie sehr er untertreibt. Der 85-Jährige läuft nämlich doch besonders - und zwar besonders schnell. Im Halbmarathon schneller als alle anderen Deutschen seiner Altersklasse. Den Hamburg-Marathon hat er in weniger als vier Stunden geschafft, verbesserte den Europarekord um mehr als 20 Minuten. Und beim Volkslauf Anfang Mai in Kaltenkirchen hat der Bosauer den Weltrekord über zehn Kilometer gebrochen - um unglaubliche eineinhalb Minuten. Sein trockener Kommentar damals: "Ich fahr' jetzt nach Hause, ein bisschen im Garten arbeiten." Erholung der besonderen Art.
Gemüsegarten ist sein Reich
Groß geworden ist Fokke Kramer im Rheinland, in einem Haus mit großem Garten. "Da hatte ich mein eigenes kleines Beet mit Salat. Den durfte wirklich nur ich essen", erinnert er sich lächelnd. Die Leidenschaft für das Gärtnern ist bis heute geblieben - und wurde vor 13 Jahren beim Umzug nach Bosau im Kreis Ostholstein auf eine harte Probe gestellt. Das Haus stand vorher über ein Jahrzehnt leer, musste grundlegend renoviert werden. Und auch um den Garten war es nicht besser bestellt, erinnert sich seine Frau, Margret Quäker-Ebel. "Einmal bin ich in den Garten gelaufen, um unseren damaligen Hund reinzuholen und plötzlich hat der Boden ganz seltsam geschwankt. Da war ein Teich so unglaublich zugewuchert, dass man ihn gar nicht mehr sehen konnte. Zum Glück bin ich nicht reingefallen."
Heute blüht der große Garten in der Nähe vom Plöner See aber wieder in voller Pracht - und das ganz wortwörtlich. "Ich finde Wiesen mit Blumen und Moos viel schöner als einfach nur Rasen. Deshalb mähen wir den hinteren Teil vom Garten auch nicht so oft", erklärt Kramer. Die Gemüsebeete mit Brokkoli, Kohlrabi, gelben Zucchini und Salat sind dabei ganz alleine sein Reich. Hier verbringt er täglich drei bis vier Stunden, genießt die Ruhe. Die darf höchstens "Hanjo" hin und wieder stören, sein siebenjähriger kleiner polnischer Hütehund.
Trainingspartner "Hanjo" alias Hannibal mit den Samtpfoten
"Hanjo" unterstützt sein Herrchen nicht nur in der Gartenarbeit, sondern auch in der Wettkampfvorbereitung. "Wir trainieren alle zwei Tage. "Hanjo" läuft zehn Kilometer und ich immer so 15 Kilometer", lacht Kramer. Denn "Hanjo" sei ein Schnüffelhund, bleibe ständig stehen, um die spannendsten Gerüche am Wegesrand zu erschnuppern. "Und dann muss ich immer zurücklaufen und ihn wieder einsammeln." So kommen einige Extra-Kilometer zusammen, die Kramer in den Wettkämpfen zugutekommen. Laut Züchter heißt "Hanjo" übrigens "Hannibal mit den Samtpfoten", "aber der Name geht nicht. "Hanjo" ist alles andere als eine Samtpfote", sagt Fokke Kramer mit einem Augenzwinkern über seinen Trainingspartner.
Als Backpacker in Chile - mit Ende 60
Seinen ersten Wettlauf hat Fokke Kramer mit 69 Jahren absolviert, damals noch in Österreich. Er hatte eine Gruppe Läufer vor seinem Haus gesehen - und kurzfristig beschlossen, mitzumachen. "Ich war schon immer sportlich", sagt der ehemalige Gymnasiallehrer für Sport und Englisch, "und irgendwas muss man mit seiner Zeit ja anfangen." Wirklich verlegen um Ideen, wie er freie Zeit gestalten kann, war der heute 85-Jährige aber wohl nie. Direkt nach seiner Pensionierung reiste er zum Beispiel nach Santiago in Chile und verliebte sich so sehr in das Land, dass er wenige Jahre später mit seiner Frau ein zweites Mal nach Südamerika flog. "Das war total verrückt", sagt Margret Quäker-Ebel mit leuchtenden Augen. "Wir waren die einzigen in unserem Alter mit diesen großen Wanderrucksäcken. Wir haben damit auch auf den Straßen gezeltet. Da waren sonst nur junge Reisende."
86-jähriger Dortmunder fordert ihn heraus
Fokke Kramer scheint die Herausforderung zu suchen und seine Jagd nach Rekorden ist ein Teil davon, meint seine Frau: "Ihm geht es ums Gewinnen. Gewinnen gegen das Alter, gewinnen für die Gesundheit, gewinnen gegen den Gegner." Gegner gibt es beim Laufen in seiner Altersklasse nicht mehr so viele, mit Klemens Wittig aus Dortmund dafür aber einen umso besseren. Klemens Wittig ist ein weiterer Ausnahmeläufer und ein Jahr älter als Fokke Kramer, hat deshalb die Altersklasse M85 schon ein Jahr vorher erreicht.
Das Muster hier ist klar erkennbar: Klemens Wittig übertritt die Schwelle zur nächsthöheren Altersklasse und stellt Rekorde über verschiedene Strecken auf. Ein Jahr später erreicht dann auch Fokke Kramer die entsprechende Altersklasse und nimmt seinem Konkurrenten die Rekorde wieder ab. "Freuen kann ich mich darüber nicht", stellt Wittig klar. "Aber es ärgert mich auch nicht. Jeder findet irgendwann seinen Meister und Fokkes konstant gute Leistungen sind einfach beeindruckend. Ich wünsche ihm alles Gute."
Und das auch für alle weiteren anstehenden Wettkämpfe. Am Sonntag möchte Fokke Kramer den Weltrekord über 5.000 Meter angreifen. Außerdem hat er noch ein größeres Langzeitziel: Mit 90 Jahren einen Marathon laufen.