Kolumne: Ein Löwe brüllt aus dem Sommerloch
Es ist heiß und stickig und Zeit dehnt sich hier drin nach Belieben aus - oder schrumpft in sich zusammen wie ein geplatzter Ballon: das Sommerloch. Unsere Kolumnistin wagt eine Annäherung und fragt sich: Wie sind wir hier gelandet, wie hält es sich darin am besten aus und warum leben hier Tiere?
Ich war letztens in einem Vergnügungspark und, abgesehen von den kurzen Adrenalin-Kicks in den Achterbahnen, waren die anderen Menschen dort mein größtes Vergnügen. Speziell all die vielen Motto-Shirts, die sich über die von sommerlichem Grillgut gemästeten Bäuche spannten. Eines davon brachte mich ins Grübeln: "Nichts ist schneller als Licht, außer die Sommerferien". Denn der physikalisch beinahe richtige Vergleich, beschreibt doch perfekt unser paradoxes Zeitempfinden. Sitzen wir bei 45 Grad Auto-Innentemperatur im Stau, fühlen sich zehn Minuten wie eine Stunde an. Hat man allerdings frei und Spaß, rast die Zeit so schnell wie ein gehetzter Löwe durch die Savanne - oder die Fantasie gelangweilter Großstädter.
Fantasie ist alles
Fast zwei Tage lang suchten Einsatzkräfte nach einem gefährlichen Raubtier in Berlins Wäldern. Das Video einer angeblichen Löwin rief Hunderte Polizisten und Polizistinnen auf den Plan. Am Ende stellte sich heraus: Bei der Löwin handelt es sich sehr wahrscheinlich schlichtweg um ein Wildschwein.
Mit uns hier im Norden geht die Fantasie aber auch ganz gerne mal durch, auch wenn wir nicht ganz so übertreiben wie die Berliner: Vergangenen Sommer brachte ein vermeintliches Wildschwein in einem Garten in Eckernförde erhitzte Köpfe in Aufregung - am Ende war es nur ein Mini-Schwein.
Das Sommerloch ist mit Fell ausgekleidet
Warum uns Tiere gerade so beschäftigen? Ich behaupte, es ist das Sommerloch, was uns dazu zwingt. Bei uns Journalisten gelten in dieser angeblich "nachrichtenarmen" Zeit Tiergeschichten als harmlose Lückenbüßer, oder besser Lochfüller. Dabei macht das Weltgeschehen im Sommer selbstverständlich keine Pause. Es kommen höchstens ein paar weniger Politik-, Kultur- oder Sportnews.
Stories zu Tieren, glaube ich, sind dabei mindestens genauso wichtig. Nicht nur vergeht bei der kurzweiligen Lektüre die im Sommerloch träge Zeit schneller, auch bekommt man oftmals ein gutes Gefühl, weil süß. Tiere zeigen uns auch, dass alles eine Frage der Perspektive ist. Und des Mindsets. Denn ganz egal, welches Tier, grundsätzlich gilt: Als Wildschwein wird man geboren, Löwe zu sein, ist eine Entscheidung.