Kinderarmut auf dem Land: Wenig Geld, wenig Teilhabe
Die Kinderarmut auf dem Land in Schleswig-Holstein ist ein großes Thema, das am Dienstag auf einer Konferenz in Heide besprochen wurde. Es sei eine der vordringlichsten Aufgaben der Sozialpolitik, sie zu bekämpfen, so die Diakonie.
Dithmarschen ist laut des Sozialberichtes des Landes Schleswig-Holstein landesweit der Flächenkreis mit der höchsten Kinderarmut: Gut 17 Prozent der Kinder und Jugendlichen dort leben von staatlichen Leistungen. Als arm gilt wirtschaftsstatistisch, wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Netto-Einkommens verfügt. Bei einer Beispielsfamilie mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag diese 2020 laut Bundeszentrale für politische Bildung bei einem Netto-Einkommen von 2.361 Euro im Montat - nach Einbeziehung staatlicher Transferleistungen.
Lange Liste an Problemen auf dem Land
Es gebe zahlreiche Landkreise, in denen 10 bis 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen von staatlichen Leistungen leben müssten, sagt der Sprecher der Diakonie in Schleswig-Holstein Friedrich Keller. Laut Diakonischem Werk ist es eine der vordringlichsten Aufgaben der Sozialpolitik, Kinderarmut aufzulösen.
Hauptprobleme für betroffene Eltern scheinen banal: Sie finden keine bezahlbare Wohnung, können sich Kinderbekleidung nicht leisten und müssen auch bei Lebensmitteln sparen - ein schlecht ausgebauter öffentlicher Nahverkehr und Defizite im Bildungssystem verstärken die Probleme demnach weiter. "Weil keine Busse fahren, können Kinder aus benachteiligten Familien nicht an außerschulischen Veranstaltungen teilnehmen", sagt Keller. "Und es geht um mangelnde Ganztagsangebote an den Schulen, so dass vor allem Alleinerziehende nicht voll arbeiten können."
Viele Alleinerziehende in den Beratungsstellen
Malva Abraham ist Sozialberaterin beim Diakonischen Werk Dithmarschen und kennt die Betroffenen persönlich. "In unsere Beratungsstelle kommen viele Alleinerziehende", sagt sie und ergänzt, dass wenn Mittel für ein Auto fehlen, der Alltag gefährdet sei. "Genau darauf sind Familien zum Beispiel in den Kögen dringend angewiesen." Aber auch ein weiterer Aspekt spielt eine große Rolle: Kinder in Deutschland haben sehr unterschiedliche Chancen, mit denen sie ins Leben starten - und von der Frage der sozialen Herkunft hingen maßgeblich die Weichenstellungen für ihre Zukunft ab, weiß Kai Marquardsen von der FH Kiel. Der Professor für Armut und soziale Ungerechtigkeit betonte den Handlungsbedarf. "Nach wie vor ist es die Regel, dass Armut von einer Generation auf die nächste weitergegeben wird - und unser Bildungssystem reproduziert noch immer soziale Ungleichheit statt sie zu korrigieren", sagt Marquardt. "Kinderarmut zu bekämpfen bedeutet, der Entstehung von Armut im Erwachsenenalter präventiv entgegenzuwirken."
Kinderschutzbund fordert Kindergrundsicherung
Dies unterstreicht der Kinderschutzbund Schleswig-Holstein regelmäßig. Bildungschancen seien bei armen Kindern und Jugendlichen generell schlechter, die gesundheitlichen Risiken stiegen, hieß es von der Organisation im Rahmen des Weltkindertages im September 2022. Hinzu komme die Ausgrenzung, wenn Kinder zum Beispiel aufgrund von Geldmangel keine Ausflüge machen könnten. Und: Wegen der Energiekrise könnte sich die prekäre Lage armutsgefährdeter Familien noch weiter verschlechtern. Daher gehört zu einer der Forderungen des Kinderschutzbunds, eine Kindergrundsicherung einzuführen. Denn: Nach der UN-Kinderrechtskonvention hat jedes Kind das Recht, gut leben zu können.