"Jugend debattiert": Schüler liefern sich Schlagabtausch im Landeshaus

Stand: 23.04.2024 21:20 Uhr

Auf diesen Schlagabtausch haben einige Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein gespannt gewartet: Am Dienstagmittag trafen die besten Rednerinnen und Redner von 75 Schulen in Schleswig-Holstein aufeinander. Der Besucherrang und der Plenarsaal des Landeshauses waren bis auf wenige Plätze belegt.

von Friederike Hoppe

Auf dem Platz der Innenministerin im Plenarsaal sitzt an diesem Tag ein neues Gesicht. Ganz ruhig blickt die 16-Jährige Smilla Egtved vom Leibniz-Gymnasium aus Bad Schwartau auf die Besucher im Plenarsaal. Unter den Besuchern sitzen ihre Klassenkameraden, zwei ihrer Lehrerinnen, bei denen sie Debattieren gelernt hat und ihr Freund.

Leonor Erker Carvajal neben ihr scrollt ein letztes Mal durch die Notizen auf ihrem Tablet. Keine Spur von Nervosität bei den Schülerinnen.

Drei Wochen lang haben sie an Argumenten gefeilt und sich auf das Thema vorbereitet, für das sie gleich gegen zwei andere Schüler im Kieler Landtag argumentieren. Vor ihr liegt eine Tabelle mit Pro und Kontra- Argumenten. Die Streitfrage: "Soll an weiterführenden Schulen Schleswig-Holsteins Dänisch als zweite Fremdsprache angeboten werden?" Auswendig gelernt hat sie ihre Rede nicht.

Das Thema Dänisch hat Insa Rix-Oldigs, Landeskoordinatorin "Jugend debattiert Schleswig-Holstein", bewusst ausgewählt. "Für uns geht es darum, Themen auszuwählen, die hier lokal wichtig sind und den Schülerinnen und Schülern nahe sind."

Kriterien: Sachkenntnis, Ausdruck, Überzeugungskraft

Pro Debatte haben vier Schülerinnen und Schüler jeweils 24 Minuten Zeit zur aktuellen Streitfrage dafür oder dagegen zu argumentieren. Neben Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft, kam es vor allem auf die Recherche von Zahlen und Daten an.

"Bis 1864 gehörte Schleswig-Holstein zu Dänemark, es ist also nicht verwunderlich, dass es viele Schleswig-Holsteiner mit dänischen Wurzeln gibt. Ich bin eine davon", sagt Smilla. "Aber ich selbst spreche kein Wort dänisch, das finde ich manchmal ziemlich schade". Für ihre Rede hat sich die Schülerin verschiedene Maßnahmen zur Umsetzung überlegt.  

Eine Glocke mit der Aufschrift "Jugend debattiert" steht auf einem Tisch im Landeshaus. © NDR Foto: Friederike Hoppe
Pro Debatte argumentieren vier Schülerinnen und Schüler eine Streitfrage in 24 Minuten Dauer.

"Mitglieder der dänischen Minderheit werden in Schleswig-Holstein angeworben, Dänisch als zweite Fremdsprache zu belegen. Die Bewerber könnten beispielsweise sechs Wochenendseminare belegen, um dann später an einer von 60 Schulen, in denen Dänisch in Schleswig-Holstein unterrichtet wird, über ein halbjähriges Referendariat ausgebildet zu werden", erklärt die Schülerin ihre Idee. Dies könne den kulturellen Austausch mit dem Nachbarbundesland fördern. Mit Dänisch als Zweitsprache könnten Deutsche außerdem helfen, dem Fachkräftemangel in Dänemark zu begegnen. Ihre Redezeit ist um, die Glocke ertönt, Smilla lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, führt ihren Satz in Ruhe aus.

Persönlicher Zugang und Überzeugungskraft entscheiden die Debatte

An vielen Berufsschulen werde Dänisch bereits angeboten, argumentiert die Gegenseite. Zudem sei die Umsetzbarkeit schwierig. "Wie wollt ihr es schaffen genügend Dänisch Lehrer anzuwerben, in einer Zeit des Lehrermangels?", entgegnet Johann Karich von der Humboldtschule in Kiel. Aus seiner Sicht seien viele Punkte ungeklärt. "Es erübrigt sich im 21. Jahrhundert in einer Zeit der internationalen Welt, dass man noch die Sprache des Nachbarlandes sprechen muss", so Karich. Er sieht in der Streitfrage keine Notwendigkeit.

Leonor Erker Carvajal unterstützt die Argumentation ihrer Vorrednerin Smilla. "Auch wir als Schleswig-Holstein sollten Solidarität gegenüber unserem Nachbarland zeigen und versuchen die interkulturelle Zusammenarbeit mit Dänemark zu fördern."

Applaus im Landeshaus für die Gewinnerinnen von "Jugend debattiert" © NDR Foto: Friederike Hoppe
Gewonnen: Smilla Egtved aus Bad Schwartau überzeugte die Jury am Dienstag mit Ihrer Rede, Dänisch als zweite Fremdsprache in Schleswig-Holstein einzuführen.

Es folgen weitere Argumentationen. Jeder der Schüler bezieht die Argumente der Gegenseite mit ein. Nach 24 Minuten Debatte ist es entschieden: Smilla gewinnt die Debatte, sie ist Landessiegerin Schleswig-Holstein. Die Jury lobte ihren persönlichen Zugang zur Streitfrage, ihre Überzeugungskraft und die Auswahl der Argumente. "Ich kann es noch gar nicht glauben", sagt Smilla wenige Minuten nach ihrem Sieg mit leuchtenden Augen.

Sieger reisen zum Bundesfinale nach Berlin

Die Finalisten der Sekundarstufe zwei stritten über die Frage, ob die Landesregierung ihre Kommunikation über soziale Netzwerke wie X oder TikTok einstellen soll. In der Altersgruppe zwei (Jahrgangsstufen 11 bis 13) siegte Felix Jung vom Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Quickborn. Gemeinsam mit den Zweitplatzierten, Leonor Erker Carvajal von der Stormarnschule aus Ahrensburg (Altersgruppe eins) und Ben Plaumann von der Stormarnschule aus Ahrensburg, vertreten die Gewinner Schleswig-Holstein im Bundesfinale in Berlin.

Herzkammer der Demokratie

Der Wettbewerb sei die Herzkammer der Demokratie, sagte Moritz Junge aus Rostock in seiner Moderation. Er stand 2019 im Bundesfinale von "Jugend debattiert". Insgesamt 12.500 Schülerinnen und Schüler wurden in Schleswig-Holstein von dem Projekt erreicht, berichtet Insa Rix, Projektleiterin von "Jugend debattiert".

Für Bildungsministerin Karin Prien (CDU) sei es "eines ihrer Lieblingswettbewerbe", sagte sie in ihrer Einführungsrede. "Ein fairer und respektvoller Umgang mit anderen Meinungen und eine Debattenkultur sind in Zeiten von Fakenews und Hatespeech wichtiger denn je."

Zwei Schülerinnen mit Urkunde stehen auf der Tribüne im Plenarsaal des Kieler Landeshauses. © NDR Foto: Friederike Hoppe
(v.l.n.r.) 1. Platz: Smilla Egtved (Leibniz-Gymnasium, Bad Schwartau) 2. Platz: Leonor Erker Carvajal (Stormarnschule, Ahrensburg). Die Schülerinnen präsentierten Argumente, Zahlen und Maßnahmen, wie Dänisch als zweite Fremdsprache in Schleswig-Holstein eingeführt werden kann.

"Der eine oder andere Abgeordnete könnte von euch noch etwas lernen", sagte Kristina Herbst (CDU), Präsidentin des Schleswig-Holsteinischen Landtages im Anschluss. "Das Schöne ist, dass die Teilnehmer hier lernen, auf die Argumente der anderen einzugehen. Unsere Demokratie braucht junge talentierte Menschen wie Sie", so Herbst. Über den heutigen Wettbewerb hinaus seien dies auch die wichtigsten Instrumente in der politischen Auseinandersetzung.

Auch Sybilla Nitsch (SSW) verfolgte die Debatten. Sie freute sich über die Themenauswahl. In ihrer eigenen Schulzeit hätte sie sich mehr solcher Projekte gewünscht. "Das Debattieren haben wir in der Schulzeit definitiv zu wenig geübt", so Nitsch.

"Jugend debattiert" ist ein bundesweites Schulprojekt an 1.400 Schulen, das unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten steht. In Schleswig-Holstein wird das Projekt gemeinsam von dem Landesbeauftragten für politische Bildung, dem Bildungsministerium, der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung sowie der Heinz Nixdorf Stiftung durchgeführt.

Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 23.04.2024 | 19:30 Uhr

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