Jetzt kommen die Bagger: Norderstedter Müllberg wird geräumt

Stand: 05.02.2024 20:49 Uhr

Mehrere Tausend Tonnen Abfall türmen sich seit Jahren meterhoch auf einer Fläche von etwa 5.000 Quadratmetern auf der Deponie in Norderstedt-Friedrichsgabe. Am Montag hat die Räumung offiziell begonnen.

von Pia Klaus und Ole ter Wey

Mit einem leichten Knacken schließt sich die Baggerschaufel. Kabel, Rohre, Steine und Plastiktüten fallen kurz darauf in einen blauen Container. Ein langwieriges Ärgernis geht zu Ende. Der rund 15.000 Kubikmeter große Müllberg in einem Gewerbegebiet in Norderstedt (Kreis Segeberg) wird nach jahrelangem Hin und Her abgebaut.

Sortiert wurde der Müll nicht, als er damals deponiert wurde. Und das, obwohl teilweise sogar giftige Bestandteile darunter waren, zum Beispiel asbesthaltige Deckenplatten. Und auch jetzt kann der Müll nicht ordnungsgemäß getrennt werden. Dafür fehlt auf dem Gelände in Norderstedt-Friedrichsgabe schlicht der Platz. "Das wird erst in Zukunft erfolgen", erklärt Christian Strauch vom beauftragten Entsorgungsunternehmen Ehlert & Söhne. "Dann, wenn wir uns mehr in den Haufen reingearbeitet haben, können wir hier zehn Abfallcontainer hinstellen mit den jeweiligen Abfallfraktionen und dann wird der Müll darin verladen." Zunächst werden jetzt auf dem Areal Wege und Flächen geschaffen.

Lange Auseinandersetzungen um Müllberg

Die Geschichte des Norderstedter Müllbergs ist lang und kompliziert. Was ursprünglich als ein Zwischenlager für Abfälle aller Art gedacht war, entwickelte sich über Jahre zu einem illegalen Müllberg. Mittlerweile türmen sich auf dem Grundstück in der Nähe des Norderstedter Umspannwerks mehr als 15.000 Tonnen Müll, darunter Asbest, Dämmwolle und andere Schadstoffe. Das Grundstück gehörte zwischenzeitlich der Stadt Norderstedt - der ehemalige Betreiber ist zu einer Bewährungs- und Geldstrafe verurteilt worden. Denn trotz des Aufnahmestopps, den die Behörden für die Müllanlage verhängt hatten, nahm er weiter Abfälle an. Außerdem fehlten ihm die Genehmigungen zur Lagerung spezieller und gefährlicher Stoffe, wie zum Beispiel Asbest oder teerhaltige Dachpappe.

BUND kritisiert langsame Behörden

Mehrere Demonstranten am Rande einer Baustelle bei der ein Müllberg in Norderstedt abgetragen wird. Einer von ihnen spricht mit Schleswig-Holsteins Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne). © Ole ter Wey Foto: NDR
Umweltminister Tobias Goldschmidt (Grüne) und Winfried Günnemann vom BUND im Gespräch.

"Ich erinnere mich noch gut an das erste Mal, dass ich diesen Müllberg betreten habe. Das war wie der Blick in eine verwunschene Welt", erzählt Winfried Günnemann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Allerdings meint der Norderstedter Anwalt und Umweltrechtsexperte das deutlich weniger romantisierend als es zunächst klingen mag. "Dieser Ort ruft in mir Ekel hervor, der ist abstoßend und widerlich", wird er deutlich. Und auch hinsichtlich der Arbeit vom Land um Minister Tobias Goldschmidt (Grüne) hält Günnemann nicht hinter’m Berg. "Seit 2018 war die Behörde dran, hier zu räumen. Und es ist nichts passiert. Der Wind weht da über den Berg und verbreitet den Staub und die Mineralfasern. Und man sitzt in den Behördenstuben und arbeitet das so richtig normal ab, statt vielleicht zu denken: Das muss jetzt aber Mal passieren und das muss schnell und zügig gemacht werden."

Diese Kritik teilt Minister Goldschmidt nicht: "Es ging einfach nicht schneller, auch wenn auch ich mir das gewünscht hätte", führt er an. "Es gab einfach viele Dinge zu klären und weil wir mit Steuergeld arbeiten und hantieren, müssen wir eben immer nachweisen, was wir mit dem Geld, für das unsere Steuerzahler arbeiten gehen, machen." Bevor sich Stadt und Land in zähen Verhandlungen geeinigt hatten, wer wie viel der Kosten für den Abtrag vom Müll bezahlt, hätten sie gemeinsam ein anderes Ziel verfolgt: "Wir haben mit Anordnungen immer versucht, den Verursacher ans Schlawittchen zu kriegen, damit er das hier selbst bereinigt." Geklappt hatte das aber nicht.

Bewährungsstrafe plus Geldstrafe für Betreiber

Mehrere Demonstranten am Rande einer Baustelle bei der ein Müllberg in Norderstedt abgetragen wird. © Ole ter Wey Foto: NDR
Vertreter vom BUND kritiseren das Land: "Seit 2018 war die Behörde dran, hier zu räumen. Und es ist nichts passiert."

Zuerst war der frühere Betreiber untergetaucht, hatte sich dem Zugriff der Justiz entzogen. Im Dezember 2022 stand Rüdiger G. dann aber doch vor dem Amtsgericht Norderstedt, wurde zu zwei Jahren auf Bewährung und einer Geldstrafe von 600.000 Euro verurteilt. Das reiche aber bei Weitem nicht, um die notwendigen Arbeiten zu finanzieren, meint Goldschmidt. Er schätzt die Kosten auf mindestens drei Millionen Euro. Nach harten Verhandlungen, so der Minister, trägt die jetzt das Land. Sobald die Stadt Norderstedt aber das gereinigte, rund 5.000 Quadratmeter große Gelände verkauft, gehe das Geld ans Land zurück.

Wie geht es mit dem Gelände weiter?

Bis dahin muss aber noch viel passieren: Zuerst muss der einsame Bagger seine Vorarbeit abschließen, danach müssen die Container mit den sortierten Müllarten befüllt und weggefahren werden. Und schließlich muss die Stadt Norderstedt einen Käufer finden. "Konkrete Ideen gibt es da noch nicht", stellt der Erste Stadtrat der Stadt Norderstedt, Christoph Magazowski, klar. Und auch sei unklar, wieviel das Gelände finanziell wieder reinhole. "Aber man muss sich hier nur umgucken. Die umliegenden Gewerbetreibenden werden sicherlich Interesse bekunden. Wir werden sie auch aktiv ansprechen. Aber es gibt keine Vorabsprachen."

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 05.02.2024 | 14:00 Uhr

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