Drogenprävention im Zug: "Revolution Train"

Stand: 13.09.2023 12:02 Uhr

Drogenprävention in einem Zug - ein ungewöhnliches Projekt aus Tschechien macht derzeit wieder Station im Kreis Segeberg. 4.000 Jugendliche sollen dabei für die Gefahren von Rauschmitteln sensibilisert werden.

von Christoph Deuschle

Ob zu viel Kaffee, Chips oder die zehnte Folge der Lieblingsserie am Stück - irgendeine Art von Suchtverhalten legen wohl viele Menschen mal an den Tag. Süchte können vergleichsweise harmlos sein. Oder eben auch nicht. Jeder zehnte Mensch in Deutschland hat laut Bundesgesundheitsministerium im letzten Jahr mindestens einmal illegale Drogen konsumiert. Im Kreis Segeberg geht man beim Thema Drogenprävention jetzt ungewöhnliche und nicht unumstrittene Wege. Ein eigens dafür umgebauter Zug mit dem Namen "Revolution Train" will junge Menschen vom Zug am Joint oder der Crackpfeife abhalten.

In sechs Wagons erleben die jungen Menschen in gut anderthalb Stunden den Ein- und Abstieg eines Drogensüchtigen - nach realer Vorlage. Filmausschnitte und nachgebaute Kulissen sollen es erlebbar machen. Vor zwei Jahren war der umgebaute DDR-Personenzug aus Tschechien zuletzt in Schleswig-Holstein, ebenfalls im Kreis Segeberg unterwegs. Bis Freitag steht er noch in Bad Segeberg, dann geht es für eine Woche weiter nach Bad Bramstedt.

Projekt erntet Kritik

Jugendliche sitzen in einem Kino und sehen zur Leinwand. Ein Mädchen hat die Hände vor dem Mund zusammengefaltet. © NDR
Die Szenen des im Revolution Train gezeigten Films gehen nicht spurlos an den Jugendlichen vorbei.

Die Methoden die hier genutzt werden, werden in der Wissenschaft zum Teil als veraltet angesehen. Es werde in erster Linie mit harten Bildern geschockt. Das sagt zumindest der Geschäftsführer der Beratungsstelle für Suchtfragen in Schleswig-Holstein, Björn Malchow: "Das schockiert sie in der ersten Phase, ja. Sie setzen sich damit ja auch auseinander. Aber man kann so etwas auch sehr gut gedanklich abtrennen kann. Das ist ein bisschen so, als ob sie durch die Geisterbahn gehen. Man schaut sich das an und denkt: Mir geht's ja gut, mir wird sowas nie passieren."

Mit seiner Kritik ist Malchow nicht alleine: Eine Vielzahl an Institutionen sieht das derzeitige Konzept des Zuges kritisch. Darunter auch mehrere soziale Träger aus Ostdeutschland, wo der Zug deutlich mehr unterwegs ist als im Rest der Republik. Kritik an einem Projekt, welches eigentlich Positives bewirken will.

Die lässt der Projektverantwortliche im Kreis Segeberg, Jürgen Schlichting, allerdings nicht so auf sich sitzen: "Der Zug hier ist der Dosenöffner. Wichtig ist dabei, dass wir auch das Folgeprogramm machen. Deshalb legen wir da dieses Jahr ja auch so einen besonderen Wert drauf." Außerdem wünscht er sich eine bessere Kommunikation mit der Beratungsstelle. "Wir würden gerne an einem runden Tisch sprechen und Lösungen finden."

Kosten vergleichsweise hoch

Denn als der Zug zuletzt zu Gast war, ist die Nachbereitung durch die Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen offenbar zu kurz gekommen. Binnen einer Woche sollen die Lehrkräfte mit ihren Schülerinnen und Schülern über das Erlebte sprechen, einen digitalen Fragebogen ausfüllen und diesen auch auswerten. Dadurch soll das erlebt wiederholt und verfestigt werden. Die Daten, zum Beispiel die Erinnerung von Details, fließen dann zusätzlich in die Erfolgsmessung des "Revolution Trains" selbst ein. Ob das am Ende zum Erfolg führt?

Ein silberner Zug steht auf einem Abstellgleis © NDR
Der ehemalige Personenzug aus der DDR wurde vollständig umgebaut.

"Also ich finde die Idee daran auch gut, Kindern zu sagen, dass sie keine Drogen nehmen sollen. Aber ich kann mir nicht vorstellen dass das so wirklich helfen sollte. Ich weiß nicht, ob man sich da in fünf Jahren noch dran erinnert", sagt der 14-jährige Davin Böhme direkt nach seinen Erfahrungen im Zug in Bad Segeberg. Die Langzeitwirkung könnte also mit einem Fragezeichen versehen werden.

65.000 Euro pro Woche kostet der Zug. Der zweiwöchige und damit 130.000 Euro teure Aufenthalt im Kreis Segeberg wird sowohl vom Kreis, den Städten als auch aus Spenden finanziert. Von den Kosten von 28 Euro pro Kind zahlen die Familien der Jugendlichen nur einen Anteil von drei Euro. Für Suchtberater Malchow insgesamt deutlich zu teuer. "Von dem Geld bezahle ich zwei Vollzeitkräfte in der Präventionsarbeit ein ganzes Jahr. Und das ist in meinen Augen langfristig deutlich nachhaltiger."

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Dieses Thema im Programm:

Schleswig-Holstein Magazin | 12.09.2023 | 19:30 Uhr

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