Deutschlandweit einzigartig: Neues Schulschiff für Bundespolizei
Die Marine hat das Segelschulschiff "Gorch Fock", nun hat auch die Bundespolizei ein Schiff, das ausschließlich der Aus- und Fortbildung dient. Auf der "Eschwege" wird jetzt für den Einsatz trainiert.
Bilderbuchwetter für den ersten Einsatz des neuen Schulungsschiffs der Bundespolizei. Es ist sieben Uhr. Die Ostsee vor Neustadt in Holstein (Kreis Ostholstein) fast spiegelglatt. Am Himmel kaum eine Wolke. Fast schon zu perfekte Bedingungen für das heutige Trainingsszenario. An Bord, aufgeregtes Treiben. Rund 50 Besatzungsmitglieder sind auf der "Eschwege". Die Hälfte davon Ausbilder, die andere Hälfte Bundespolizisten, die zur See wollen. Seit Januar absolvieren sie ihre "maritime Verwendungsfortbildung", so nennt es sich in Bundespolizei-Sprech. Zwölf Monate dauert die Fortbildung. Nachdem die "Eschwege" in den vergangenen Wochen noch als schwimmender Lehrsaal genutzt wurde, wird heute zum ersten Mal gemeinsam abgelegt.
"Nach dem Theorieblock gehen wir jetzt in die Praxisinhalte", erklärt Jan-T. W., der zuständige Lehrbereichsleiter und Ausbildungsverantwortliche am Maritimen Schulungs- und Trainingszentrum, MaST, in Neustadt. Aus Sicherheitsgründen wird sein kompletter Name nicht genannt. Das neue Schulungsschiff ist ein Glücksfall für die Bundespolizei. "Dieses Schiff ist einzigartig in der Behördenstruktur in der Bundesrepublik Deutschland. Die einzige Behörde oder Organisation, die noch ein Schulschiff betreibt, ist die Marine", freut sich der Ausbilder. Damit meint W. die einzige Bundesbehörde, bzw. -Organisation.
Möglich wurde der neue Einsatz für das gut 20 Jahre alte Schiff durch die Modernisierung der Bundespolizei-Flotte mit größeren, 86 Meter langen Schiffen. Die 66 Meter lange "Eschwege" war plötzlich übrig. Doch anstatt sie zu verkaufen, wurde sie in den Schuldienst überführt.
Ausbildung so praxis- und realitätsnah wie möglich
Und dort soll das Schiff jetzt so oft wie möglich auch genutzt werden. Diese Woche zum ersten Mal vor Sierksdorf und Neustadt in der Lübecker Bucht. Die Aufgaben für die angehenden "Seeleute" der Bundespolizei sind vielfältig. Sie besetzen alle Posten, die auch die erfahrenen Kollegen an Bord innehaben, allerdings immer unter den wachsamen Augen der Ausbilder. Einer von ihnen ist Marco Müller, Fachgruppenleiter Nautik. Er steht neben einem Auszubildenden am Ruder der "Eschwege". "Der Nachwuchs kommt aus allen Abteilungen der Bundespolizei, Flughafen, Bahnhof, vom Zoll. Und jetzt müssen wir ihnen das seemännische Wissen vermitteln, das kriegen wir nur in der Praxis hin", so der Nautiker. In diesem Augenblick schwebt ein Bundespolizei-Hubschrauber über der "Eschwege" hinweg. Er soll Auszubildende aus einer Rettungsinsel, die auf der Ostsee treibt, zurück an Bord bringen. Geübt haben die Polizisten das bereits mit einem Kran an Land. Doch nun soll das Szenario so praxis- und realitätsnah wie möglich trainiert werden.
Hubschrauber-Übung über Lübecker Bucht
Auf der Brücke des neuen Bundespolizei-Schulschiffs herrscht höchste Konzentration. Per Funk tauschen sich Hubschrauber- und Schiffsbesatzung über Positionen und Windbedingungen aus, damit der Hubschrauber die Bundespolizei-Azubis sicher zurück an Bord bringen kann. Am Steuer der "Eschwege" sitzt Martin König. Der Bundespolizist hat bisher am Berliner Hauptbahnhof gearbeitet. Davor war er bei der Marine. "Ich habe Bock, wieder auf See zu gehen", freut er sich über seine Fortbildungsmöglichkeit. "Wir wollen dabei auch den Praxisinhalt haben, die Abläufe an Bord müssen ja auch verinnerlicht werden", sagt er. Aufmerksam steuert Martin König die "Eschwege" auf dem abgesprochenen Kurs. Der Hubschrauber bringt nach und nach die Auszubildenden in ihren orangefarbenen Überlebensanzügen zurück an Bord. Die Übung läuft planmäßig.
"Bringen Auszubildenden das Gehen bei, das Laufen lernen sie an Bord"
Drei Etagen tiefer, im Motorenwachraum, geht es etwas ruhiger zu als auf der Brücke. Hier hat Fachlehrer Thomas Luth ein aufmerksames Auge auf die Kontrollmonitore. Er kennt die "Eschwege" wie kaum ein anderer. "Ich habe das Schiff damals mit in Dienst gestellt - das ist jetzt ein bisschen wie nach Hause kommen", berichtet er. "Wir haben hier ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Welche Behörde hat sonst ein Ausbildungsschiff in der Größe?" Der Nachwuchs bei der Bundespolizei See wird nun vor allem in den Themen Seemannschaft - also den Verhaltensregeln an Bord, Nautik und Technik - geschult. Später spezialisieren sich die Beamten dann. "Wir bringen den Auszubildenden das Gehen bei, das Laufen lernen sie nachher an Bord. Die Erfahrung muss durch das Fahren kommen", erklärt der Fachlehrer. Und fahren soll die "Eschwege" so oft es geht und so lange sie technisch einsatzbereit ist, versprechen die Verantwortlichen im Maritimen Schulungs- und Trainingszentrum in Neustadt. Bereits in den kommenden Tagen sind weitere Ausbildungsfahrten geplant.
Eine andere Ausbildungsmöglichkeit auf Schiffen bietet die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS): Sie betreibt nach eigenen Angaben für ihre rund 1.000 Seenotretter auf Nord- und Ostsee vier Trainingseinheiten, das Trainingsschiff "Carlo Schneider" und die drei Trainingsboote "Mervi", "Casper Otten" und "Christoph Langner".