Jubiläum des Vereins Paulinchen: Kinder vor Verbrennungen schützen
Der Verein Paulinchen aus Norderstedt setzt sich dafür ein, Kinder vor Verbrennungen und Verbrühungen zu schützen - und das seit mittlerweile 30 Jahren.
"Brandheiß! Brandgefährlich! Brandverletzt!" Mit Überschriften wie diesen, bundesweiten Plakat-Kampagnen und Aktionen wie dem "Tag des brandverletzten Kindes" klärt der Norderstedter Verein "Paulinchen e.V. - Initiative für brandverletzte Kinder" auf. Am Freitag hat die Initiative in Hamburg mit einer Fotoausstellung ihr 30-jähriges Bestehen gefeiert.
Gefahren lauern überall - Vorsicht ist geboten
Man stelle sich vor: Ein Baby schreit. Der Vater nimmt es schnell auf den Arm, um es zu trösten. Er nimmt aber auch seine Tasse mit dem Tee, denn er will ihn ja nicht kalt trinken. Dann bewegt sich das Kind ruckartig, er kann die Tasse nicht gerade halten und der heiße Tee ergießt sich über die Kleidung des Kindes. Eine Hitze, die die Haut des Kindes unmittelbar verbrüht. "Die Gefahren lauern überall", sagt Susanne Falk, Vorsitzende des Vereins Paulinchen. Sie und die anderen Engagierten der Norderstedter "Initiative für brandverletzte Kinder" haben solche Situationen vor Augen, wenn sie ihre Aktionen und Veranstaltungen zur Aufklärung planen.
Der Verein ist bundesweit aktiv, kooperiert mit Kinderkliniken, Hautärztinnen und -ärzten sowie Feuerwehren. Ihr Ziel ist es, solche Unfälle zu vermeiden. "Die frisch aufgebrühte Tasse Tee, der gerade angezündete Kaminofen oder die Kerze, die kurz unbeaufsichtigt war, können innerhalb von Sekunden zu Verbrühungen oder Verbrennungen der zarten Kinderhaut führen", erklärt Falk. "Nur wenn Eltern die Gefahren kennen, können sie präventive Maßnahmen ergreifen und diese folgenschweren Unfälle verhindern."
Ein Unfall, der das ganze Leben verändert
Unfälle mit kochendem Wasser oder Feuer, sogenannte thermische Verletzungen, können das ganze Leben einer Familie verändern. Beispielsweise das der Familie Bickmeier aus Blunk im Kreis Segeberg. Weihnachten 2011 fing beim Krippenspiel das Schäfchenkostüm der damals sieben Jahre alten Lena in einer Segeberger Kirche Feuer. Vier Tage lang wusste die Familie nicht, ob ihr Kind das überleben würde. Eine traumatische Erfahrung für die ganze Familie.
Das Feuer hat 30 Prozent von Lenas Haut verbrannt, dritten und zweiten Grades. Dort, wo die Haut unversehrt geblieben war, wurde Haut entnommen und transplantiert. Zweimal musste sie operiert werden. Nach der Operation bestimmte die intensive Pflege der vernarbten Haut den Alltag der Familie. In dieser extrem harten Zeit waren die Engagierten des Vereins Paulinchen wichtige Ansprechpartnerinnen und -partner für die Bickmeiers. Denn neben der Präventionsarbeit unterstützt der Verein Familien brandverletzter Kinder. Heute führt Lena Bickmeier wieder ein fast ganz normales Leben. Demnächst will sie mit dem Studium beginnen.
Gründung vor 30 Jahren
Als Dr. Gabriela Scheler und Adelheid Gottwald 1993 den Verein gründeten, hätten sie nicht gedacht, dass daraus eine Organisation entstehen würde, die auch 30 Jahre später noch so viel leistet: Zum einen als bundesweite Anlaufstelle, an die sich Familien mit brandverletzten Kindern und Jugendlichen jederzeit wenden können, um für jedes brandverletzte Kind die bestmögliche Versorgung zu erreichen. Er hilft dabei, Fachärztinnen und -ärzte zu finden oder Physiotherapeutinnen und -therapeuten, berät bei der Beschaffung von Hilfsmitteln und bei der Vernetzung Betroffener. Zum anderen weist der Verein aber auch präventiv auf Unfallursachen hin.
30.000 Kinder müssen jedes Jahr wegen Verbrennungen oder Verbrühungen ärztlich versorgt werden
Der Verein gibt Flyer heraus, klärt durch Plakate und Aktionstage auf. Der "Tag des brandverletzten Kindes" findet jährlich am 7. Dezember statt. Krankenhäuser machen mit, Feuerwehren, Kindergärten. "Wir wollen vor allem junge Eltern sensibilisieren und aufklären", sagt Susanne Falk vom Verein. Denn was weitgehend unbekannt ist: Jedes Jahr müssen allein in Deutschland mehr als 30.000 Kinder unter 15 Jahren mit Verbrennungen und Verbrühungen ärztlich versorgt werden. Rund 7.500 Kinder verletzen sich so schwer, dass sie im Krankenhaus behandelt werden müssen. Daher richtet der Verein Paulinchen gemeinsam mit vielen Aktionspartnerinnen und -partnern in diesem Jahr den Fokus besonders auf brandheiße, brandgefährliche Unfallursachen, die zu thermischen Verletzungen führen.
So schützen Sie ihr Kind
Verbrennungen und Verbrühungen lassen sich vermeiden. In mehrsprachigen Flyern listet der Verein Paulinchen auf, auf was alles zu achten ist. Denn: Eltern können Vorkehrungen treffen.
- Es sollten keine Flüssigkeiten über 50 Grad Celsius in der Nähe von Kindern sein. Schon die Temperatur am Wasserhahn sollte über ein Thermostat eingestellt werden.
- Wasserkocher sollten nach Gebrauch immer ausgeleert und ausgestöpselt werden.
- Heißgetränke nie an Tischkanten stehen lassen, sodass ein Kind drankommen könnte.
- Nichts Heißes essen oder trinken, wenn das Kind auf dem Schoß sitzt.
- Beim Kochen Töpfe immer auf die hinteren Platten stellen und ein Herdschutzgitter anbringen.
- Kinder immer von heißen Backöfen oder Kaminen fernhalten.
- Wer die Milch im Fläschchen oder den Brei in der Mikrowelle erwärmt, sollte danach immer gut umrühren und vor allem selbst probieren, bevor er sein Kind füttert.
- Brennendes Fett in der Pfanne nie mit Wasser löschen. Das gelte natürlich auch, wenn kein Kind in der Nähe ist, denn das könne zu einer Explosion führen.
Das sind nur die Tipps für den Bereich der Küche. Gefahren-Orte sind aber auch das Bad (zu heißes Wasser, Wärmelampen über dem Wickeltisch, der Fön), der Garten (Grill), das Schlafzimmer (zu heiße Wärmflaschen und Wärmedecken) oder das Wohnzimmer in der Weihnachtszeit. Dass Kerzen und Kinder nicht zusammen gehören, sei gerade jetzt, wo bald die Weihnachtszeit beginnt, ein extrem wichtiges Thema, sagt Susanne Falk. Die Gefahr, dass ein Baby neugierig nach der brennenden Kerze greift, wenn kurz mal niemand hinsieht, eine Kerze umkippt, der Weihnachtsbaum oder der Adventskranz Feuer fängt, sei einfach zu groß.
Seit dem Unfall kommen Familie Bickmeier keine Kerzen mehr ins Haus
Auch an dem lebensbedrohlichen Unfall von Lena Bickmeier war eine Kerze Schuld. Beim Krippenspiel hielt das Mädchen, wie alle anderen Kinder, eine in der Hand. Dann ging die Kirchentür auf und durch den Luftstoß ging ein Funke auf Lenas Schäfchenkostüm über und es fing Feuer. Ein Mann aus dem Publikum warf seine Jacke über das brennende Mädchen und rette so ihr Leben. Kerzen kommen Familie Bickmeier bis heute nicht mehr ins Haus. Dass Kerzen und Kinder nicht zusammengehören, das wissen alle, die damals dabei waren.