Hoch hinaus: Polizei und junge Muslime klettern gegen Vorurteile
Im Kletterpark Sögel treffen muslimische Jugendliche und Polizisten aufeinander. Schnell wird deutlich: Es geht um mehr als nur ein gemeinsames Klettern - es gibt viel, worüber gesprochen werden muss.
"Habe ich als Migrant überhaupt eine Chance bei euch - bei der Polizei?" Oder auch: "Trägst du das Kopftuch freiwillig?" Fragen wie diese stehen im Raum, als junge Muslime und Polizisten in Sögel (Landkreis Emsland) aufeinandertreffen. Das Klettern in der Höhe ist zwar der Anlass, aber die Gespräche gehen tief.
Das Projekt "Gemeinsam Sicherheit schaffen" will Vorurteile abbauen und Vertrauen aufbauen – in beide Richtungen. Dafür kooperiert die Muslimische Jugendcommunity Osnabrücker Land (MUJOS) regelmäßig mit der Polizeidirektion Osnabrück und der Polizeiinspektion Osnabrück, um Orte des Austauschs zu schaffen.
Misstrauen gegenüber Polizeibeamten
Einige der muslimischen Jugendlichen haben eine Flucht- oder Migrationsgeschichte und in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit der Polizei in ihren Herkunfts- und Heimatländern gemacht. "Viele Jugendliche haben mir Geschichten erzählt, bei denen ich wirklich Zeit brauche, um das zu verarbeiten", berichtet Dua Zeitun, Koordinatorin der muslimischen Jugendcommunity Osnabrücker Land. "Ich hatte einen jungen Mann, der erzählt hat, wie sein Vater in seinem Heimatland von der Polizei vor seinen Augen erschossen worden ist". Solche Erfahrungen hinterlassen tiefes Misstrauen, das nur schwer abzubauen ist.
Unliebsame Sticheleien und Vorurteile im Alltag
"Die halten mich doch nur an, weil ich Ausländer bin." Aussagen wie diese sind den Polizeibeamten nicht unbekannt, und sie wissen, wie sehr solche Sprüche das Misstrauen verstärken können. Vor einiger Zeit haben beide Seiten genau zu diesem Thema für ihren YouTube-Kanal Kurzvideos gedreht, um diese Vorurteile offen anzusprechen und darüber zu diskutieren. Der Austausch soll dazu beitragen, ein vielfältigeres Bild von der Polizei zu vermitteln.
Verzerrtes Bild in Sozialen Netzwerken
Bei einem vorherigen Treffen im Sommer ging es auch um die Macht der sozialen Medien. Wenn Videos von Polizeigewalt, oft aus dem Kontext gerissen, sich rasend schnell verbreiten, sorge das für Unsicherheit, berichtete Dua Zeitun. Die Theologin hat in den letzten acht Jahren mehr als 300 muslimische Jugendliche begleitet. Sie versucht zu vermitteln, wenn Jugendliche ihr solche Videos schicken und fragen: 'Darf ein Polizist das?' Zeitun beruhigt sie, weist darauf hin, dass solche Vorfälle oft nur Momentaufnahmen sind und nicht das ganze Bild zeigen.
Offener Austausch – vielfältige Perspektiven
Für viele der Jugendlichen ist es eine neue Erfahrung, Polizisten außerhalb ihres Dienstes kennenzulernen und in einen offenen Austausch zu treten. Das Fazit: "Wir müssen als Polizei noch viel offener werden", findet Niki Simon, die Leiterin der Polizeiinspektion Emsland/Grafschaft Bentheim. In einem sind sich alle einig: Ein 'Wir' und 'Ihr' soll es nicht mehr geben.
Brücken bauen für die Zukunft
Emin Odman, der seit knapp 18 Jahren bei der Polizei arbeitet und selbst türkische Wurzeln hat, sagt: "Wenn wir dadurch auch nur ein, zwei, drei Leute für den Polizeiberuf begeistern können, dann haben wir doch schon gewonnen" Gülcin Aslan, eine der Teilnehmerinnen, ist von diesem offenen Austausch positiv überrascht: "Ich finde, das sind super-nette Menschen, sehr sympathisch und alle wirklich super-offen." Die Organisatoren planen, das Projekt fortzusetzen – vielleicht schon bald in Zusammenarbeit mit Moscheegemeinden. Die dafür nötigen Förderanträge laufen bereits.