Abschied von Osnabrücks Bischof Bode: Eine Analyse seiner Amtszeit
In Osnabrück wird der im März zurückgetretene Bischof Bode heute offiziell verabschiedet. Was zeigt Bodes Rücktritt? Und wie ist seine Amtszeit zu bewerten? Eine kommentierende Analyse von NDR Religionsredakteur Florian Breitmeier.
Mit einem feierlichen Gottesdienst im Dom verabschiedet das Bistum seinen Bischof Franz-Josef Bode. Im Anschluss folgt ein Empfang. Mehr als 27 Jahre war Bode Bischof in Osnabrück - so lange wie kein anderer katholischer Oberhirte in Deutschland. Ein Schwarz-Weiß-Bild lässt sich bei einer so langen und vielschichtigen Amtszeit nicht zeichnen.
Verstörende Fehler und Versäumnisse
Klar ist: Bischof Bode hat im Zusammenhang mit Missbrauchsfällen in seinem Bistum schwere Fehler gemacht. Es gab eklatante Versäumnisse und Vertrauen wurde zerstört. Sein Rücktritt war deshalb ein konsequenter Schritt. Eine Entscheidung, die in ihm erst reifen musste und bis dahin viel Aufregung und neue Enttäuschungen hervorrief. Am Ende aber hat sich Franz-Josef Bode bei seiner persönlich schwersten Entscheidung im Bischofsamt auf das verlassen, was ihn in Osnabrück stets ausgezeichnet hat: das Hören auf die Menschen und im Anschluss daran die theologische Reflexion.
Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion
Sein Handeln und Wirken selbstkritisch zu hinterfragen, sich von Dritten bewusst infrage stellen zu lassen, um dadurch neue Perspektiven zu gewinnen, das ist eine intellektuelle Fähigkeit, die Bode besitzt wie nur wenige deutsche Bischöfe. Diese Fähigkeit hat er aber ausgerechnet beim wichtigen Missbrauchsthema lange Zeit nicht so genutzt, wie man es von einem langjährigen Jugendbischof und klugen Pastoraltheologen sehr wohl hätte erwarten dürfen.
Denn Bode hat im Missbrauchsskandal früh symbolisch und liturgisch eindrucksvolle Zeichen gesetzt: 2010 im Osnabrücker Dom. Ein Bischof am Boden. Demütig. Aber einen nachhaltigen Ruck im Bistum löste er damit nicht aus. Und er hakte nicht entschieden genug nach, obwohl er es oft besser wusste. Eine Lernkurve setzte bei ihm ein, aber verspätet, urteilten die Forscher.
Läuft es im Bistum Osnabrück anders als etwa im Erzbistum Köln?
Nach der Vorlage des Zwischenberichts der Universität Osnabrück im September 2022, dessen vorzeitige Veröffentlichung Bode selbst gewollt hatte, gab es nicht wenige Stimmen, die ihm einen Rücktritt nahelegten. Gewissermaßen als Beleg dafür, dass es in Osnabrück eben anders läuft als beispielsweise im Erzbistum Köln: selbstkritischer, transparenter, verantwortungsvoller. Galten und gelten der Bischof und das Bistum Osnabrück doch als Marken einer gemeinsamen Art des Kirche-Seins. Es hat deshalb viele Gläubige verstört, dass der Bericht offen zutage förderte, dass auch in Osnabrück lange Zeit der Mantel des Schweigens über bekannte Fälle oder Vorwürfe gelegt wurde, der öffentliche Skandal häufig vermieden werden sollte, auch wenn dies potenziell neue Gefahren für Kinder und Jugendliche bedeutete.
Betroffene nicht genügend im Blick
Viele Forderungen von Betroffenen wurden nicht angemessen berücksichtigt, Gemeinden lange häufig nur unzureichend informiert, wenn überhaupt. Es schien, als sollte das positive Image des Bischofs und des Bistums nach außen hin partout gewahrt bleiben. Dabei wäre in diesen Fällen mit Konsequenz und weitestgehender Offenheit viel mehr zu erreichen gewesen. Bischof Bode hat dies letztendlich erkannt, musste dafür aber lange mit sich ringen. Sein Amtsverzicht ist deshalb ein respektabler Schritt. Auch weil dieser wegweisend für die katholische Kirche zeigen könnte: Wer theologische Strahlkraft entfalten, nahe bei den Menschen sein und der Kirche dienen will, der muss dafür nicht mit maximaler Macht ausgestattet sein. Die Würde der Person hängt nicht am Amt. Man kann ein Amt verlieren oder bewusst aufgeben, ohne damit als Versager dazustehen oder jedwede Bedeutung in der Kirche einzubüßen. Wo andere für den eigenen Machterhalt alles tun und kritische Stimmen einfach ausblenden, hat sich Bischof Bode anders entschieden. Um jeden Preis bis zuletzt im Amt bleiben - das wollte er nicht.
Entwicklung zu pragmatischem Bischof mit fortschrittlichen Positionen
Den Synodalen Weg, den Reformprozess der katholischen Kirche hierzulande als Reaktion auf den Missbrauchsskandal, hat er entscheidend geprägt. Die Weihe von Frauen, eine wertschätzende Sexualmoral für menschliche Beziehungen, Machtkonzentrationen in der Kirche begrenzen, das waren und das sind seine Anliegen.
Als junger Theologe noch stärker von Dogmatik und Prinzipien geprägt, hat sich Franz-Josef Bode in Osnabrück zu einem pragmatischen Bischof mit fortschrittlichen Positionen entwickelt. Auch in dieser Hinsicht hat er eine Lernkurve hinter sich.
Nicht überall Feierstimmung
Zu seiner Verabschiedung werden neben vielen Prominenten auch zahlreiche Gemeindemitglieder kommen, die sich von einem nach wie vor beliebten Bischof verabschieden wollen. Aber Feierlaune mag nicht überall aufkommen. So kritisiert der Betroffenenrat Nord den großen Rahmen der Verabschiedung. Angesichts des Rücktrittsgrundes hätte er eine bescheidene Feier besser gefunden, sagt der Sprecher des Gremiums, Norbert Thewes, auf NDR Anfrage. Der ausdrücklichen Einladung von Bischof Bode werden die Mitglieder des Betroffenenrats nicht folgen.
Im Dezember hatte das Gremium übrigens Bischof Bode kirchenrechtlich im Vatikan angezeigt. Bis heute habe Rom darauf nicht geantwortet, sagt Betroffenensprecher Thewes. Sechs Monate sind ohne Reaktion vergangen. Hat sich für den Vatikan der Fall mit dem Rücktritt Bodes erledigt? Das wäre höchst irritierend, weil der Papst ja allzu oft betont, dass die Betroffenen sowie ihre Fragen und Forderungen ernst genommen werden sollen. Als emeritierter Bischof könnte Franz-Josef Bode nicht nur in eigener Sache mal in Rom nachfragen.
Rücktritt und Rückgrat
Eine eindeutige Bewertung seiner Amtszeit in Osnabrück fällt schwer. So paradox es klingen mag: Vielleicht ist Bodes Rücktritt ein Beleg dafür, wie weit man in Osnabrück doch schon ist: beim Mut und Selbstbewusstsein von Betroffenen, einer kritisch-konstruktiven Diskussionskultur und beim Thema eigenverantwortliches Handeln von Gläubigen - und Bischof.