Schwester getötet? 24-Jähriger schweigt im Mordprozess
Im Prozess um den mutmaßlichen Mord an seiner Schwester vor dem Landgericht Bremen hat der Angeklagte geschwiegen. Wegen ihres "westlichen Lebensstils" soll er sie an deren Geburtstag erstochen haben, so die Anklage.
Der 24-Jährige werde sich womöglich beim nächsten Verhandlungstermin Anfang Mai äußern, sagte sein Verteidiger zum Prozessauftakt am Mittwoch. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, dass er mit einem Mord seine Ehre habe wiederherstellen wollen. Demnach war der Mann aus Somalia nicht mit dem westlichen Lebensstil seiner Schwester einverstanden. Die Vorsitzende Richterin las am Mittwoch zwei handgeschriebene Zettel vor, die in der Wohnung des Mannes gefunden worden seien. "Meine Schwester versucht, eine Schlampe zu sein", steht auf einem der Blätter. Und weiter: "Ich kann ohne Zukunft leben, aber nicht ohne Ehre." Der psychische Zustand seines Mandanten werde noch eine wichtige Rolle in dem Verfahren spielen, kündigte der Verteidiger an. Ein Urteil könnte Ende Mai gesprochen werden.
Bruder ruft nach der Tat selbst die Polizei
Zu Prozessbeginn spielt das Landgericht die Tonaufahme des Notrufs ab, den der 24-Jährige selbst abgesetzt hatte. Darin versucht er, die Tat zu rekonstruieren. Ein Schnaufen ist in der Leitung zu hören. "Ich habe gerade meine Schwester umgebracht", sagt der Anrufer. "Haben Sie verstanden?" Wieder ein Schnaufen. Dann nennt der Mann am Telefon erneut seinen vollständigen Namen und beschreibt den Weg zum Tatort - die Wohnung seiner Schwester in Bremen. Die Beweislast ist erdrückend: die Aufnahme des Notrufs, Fotos von blutüberströmten Händen des Angeklagten und von einem verbogenen Messer, die handschriftlichen Notizen und schließlich die Schilderungen mehrerer Polizisten vom Tatort.
Schwester wurde an ihrem 23. Geburtstag umgebracht
Ein Foto zeigt eine zierliche Frau mit königsblauem Kopftuch. An ihrem 23. Geburtstag habe der Angeklagte seine Ehre vermeintlich wiederherstellen wollen, so die Vorwürfe. Es war der 9. Dezember, fast Mitternacht, als der Somalier laut Anklage vor der Wohnung seiner Schwester stand. Die 23-Jährige habe ihm die Tür geöffnet, ihn in ihr Zimmer hereingelassen. Dann soll er mit einem Küchenmesser mehrfach in ihren Oberkörper gestochen haben. Sie wurde an Herz und Lunge verletzt und verlor viel Blut.
Angeklagter lässt sich widerstandslos festnehmen
Nach dem Notruf dauert es nach den Aufzeichnungen der Polizei nur eine Minute, bis eine erste Streife am Tatort eintrifft. Er sei mit seiner Kollegin in das Mehrfamilienhaus gestürmt, berichtet der Polizist vor Gericht. Die Tür zur Wohnung im obersten Stockwerk habe offen gestanden, der Angeklagte habe sich auf die Knie geworfen und die Hände noch oben gehalten. An seinen Fingern sei Blut und auf seiner schwarzen Kleidung seien Spritzer gewesen. Von sich aus habe er angefangen zu erzählen: dass er seiner Schwester etwas angetan habe, dass er ein Küchenmesser verwendet habe - und dass er schon vorsorglich eine Tasche fürs Gefängnis gepackt habe.
Schwester lag in rosa Pyjama auf Bett, daneben das Messer
Er sei sofort in das Zimmer der Schwester gegangen, berichtet der Polizist vor Gericht. Sie habe in einem rosafarbenen Schlafanzug rücklings auf ihrem Bett gelegen, darunter das völlig verbogene Küchenmesser. "Ich habe sie angesprochen, aber es kam keine Reaktion", sagt der Polizist. Er habe um ihr Leben gekämpft, bis Rettungskräfte übernommen hätten. Auch seine Kollegin kann sich im Prozess noch gut an die Nacht vor vier Monaten erinnern. "Ich habe viele Leichen in meinem Leben gesehen, in meinen Armen sind auch schon Menschen gestorben. Aber so wie sie - das war schon krass", sagt die 28-Jährige vor Gericht. Der Angeklagte habe ihr gegenüber ohne Regung eingeräumt, dass er seine Schwester vermeintlich im Namen der Ehre erstochen habe. "Das ist kein alltäglicher Einsatz, das hat man nicht oft."