War es Mord? Lebenslang nach mutmaßlichem Autorennen gefordert
Im Mordprozess um ein mutmaßliches Autorennen in Barsinghausen sind am Donnerstag die Plädoyers gehalten worden. Die Staatsanwaltschaft forderte für die Angeklagte eine lebenslange Freiheitsstrafe.
Die Anklage wirft der 40 Jahre alten Frau unter anderem Mord und versuchten Mord vor. Aber auch im Falle einer Verurteilung nur wegen eines verbotenen Rennens forderte die Oberstaatsanwältin vor dem Landgericht Hannover eine Strafe von mindestens acht Jahren. Für den ebenfalls 40 Jahre alten Mitangeklagten plädierte die Anklage auf fünf Jahre Haft - unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung.
Verteidigerinnen bitten um eine "milde Bestrafung"
Die beiden Anwältinnen der 40-jährigen Hauptangeklagten betonten in ihrem Plädoyer, dass es sich um kein Rennen gehandelt habe, sondern um ein "außer Kontrolle geratenes Überholmanöver". Einen konkreten Antrag stellten sie nicht, baten aber um eine "milde Bestrafung" der Frau, die auch ihre eigene Familie zerstört habe. Der Verteidiger des anderen Angeklagten erklärte, aus seiner Sicht habe sein Mandant keine strafrechtliche Verantwortung, und forderte einen Freispruch.
Verhalten der Angeklagten ein Thema
Den Mordvorwurf der Anklage begründete Oberstaatsanwältin Hilke Markworth unter anderem mit dem Verhalten der 40-Jährigen vor und nach dem Unfall. So sei die polnische Staatsbürgerin im Vorfeld häufiger wegen Verkehrsdelikten aufgefallen. Nach dem Unfall habe sie ein neues Fahrzeug für 35.000 Euro finanziert und trotz entzogener Fahrerlaubnis auch genutzt. "Dieses Nachtatverhalten muss auch in ganz erheblichem Maße zu Buche schlagen", wird Markworth in einem Artikel der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zitiert.
Urteilsverkündung auf den 17. April verschoben
Vor den Plädoyers hatte das Landgericht die Urteilsverkündung auf den 17. April verschoben. Ziel sei, "Zeitdruck rauszunehmen", sagte der Vorsitzende Richter Martin Grote. Es gehe um eine Vielzahl rechtlicher Probleme. Er bat die Eltern der beiden getöteten Kindern um Entschuldigung für die Verzögerung. Sie treten in dem Prozess als Nebenkläger auf.
Landet der Fall vor dem Bundesgerichtshof?
Die 40-jährige Frau ist wegen Mordes angeklagt, der gleichaltrige Mann wegen Beihilfe. Zudem besteht gegen beide der Vorwurf der Teilnahme an einem "verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge". In einem Zwischenfazit hatte das Gericht den Mordvorwurf infrage gestellt. Sollte es die Angeklagten wegen eines verbotenen Kraftfahrzeugrennens mit Todesfolge verurteilen, liegt das mögliche Strafmaß zwischen einem und zehn Jahren Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen Mordes droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sollte das Gericht - anders als die Staatsanwaltschaft - am Ende zu dem Schluss kommen, dass der Mordvorwurf nicht greift, ist davon auszugehen, dass das Urteil angefochten wird. Staatsanwaltschaft, Nebenklage und Verteidigung können Rechtsmittel einlegen. Der Fall ginge dann in die nächsthöhere Instanz - in diesem Fall zum Bundesgerichtshof. Dort wurden bereits ähnliche Fälle verhandelt.
Zwei Kinder tot, vier Erwachsene schwer verletzt
Die beiden Angeklagten sollen am 25. Februar 2022 gut einen halben Kilometer in einer Tempo-70-Zone mit Tempo 180 nebeneinander hergefahren sein - die Frau auf der Gegenspur. Dort stieß ihr Wagen den Ermittlungen zufolge erst mit dem entgegenkommenden Auto eines 50-Jährigen zusammen, danach mit dem Auto einer Familie. Deren Wagen überschlug sich. Alle vier Insassen wurden eingeklemmt. Ein zweijähriger Junge starb noch am Unfallort. Ein Sechsjähriger wurde mit lebensgefährlichen Verletzungen in eine Klinik gebracht. Dort erlag er später seinen Verletzungen. Die Eltern, eine damals 29-jährige Frau und ein 37 Jahre alter Mann, wurden schwer verletzt. Auch der Fahrer des anderen gerammten Wagens sowie die Angeklagte kamen mit schweren Verletzungen ins Krankenhaus. Der zweite mutmaßliche Rennbeteiligte blieb unverletzt.
Anklage: Tödlichen Unfall billigend in Kauf genommen
Die Staatsanwaltschaft geht in der Anklage davon aus, dass die 40-Jährige einen Unfall mit tödlichem Ausgang für die Insassen der entgegenkommenden Autos billigend in Kauf genommen hat. Sie wirft ihr neben Mord und versuchtem Mord zudem gefährliche Körperverletzung vor. Dem 40-Jährigen werde Beihilfe zum Mord vorgeworfen, weil er seinen Wagen ebenfalls weiter beschleunigt haben soll, bevor es zum Unfall kam, hatte die Gerichtssprecherin gesagt. Damit stehe er im Verdacht, zu der gefährlichen Situation beigetragen zu haben. Die Sprecherin ergänzte: "Neben Mord, beziehungsweise Beihilfe dazu, ist unter anderem ein weiterer Vorwurf gegen beide Angeklagten die Teilnahme an einem verbotenen Kraftfahrzeugrennen mit Todesfolge." Darauf stehe eine Freiheitsstrafe zwischen einem und zehn Jahren.
Angeklagte bittet weinend um Entschuldigung
Nach der Verlesung der Anklageschrift hatte die Angeklagte unter Tränen um Entschuldigung gebeten. Den Vorwurf des illegalen Rennens bestritt sie. Sie habe in einer psychischen Ausnahmesituation während eines Überholvorgangs eine falsche Entscheidung getroffen. Der ihr unbekannte andere Fahrer habe wider Erwarten beschleunigt, als sie das Überholmanöver eigentlich beenden wollte. "Ich hatte keinerlei Intention, mich mit irgendjemandem zu messen."