Psychiatrie: Profit auf Kosten der Patienten?
Im März bringt ein vertraulicher Bericht der "Besuchskommission für die Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung für das Gebiet Hannover" unhaltbare Zustände in der Psychiatrischen Klinik Wunstorf ans Licht: Statt im eigenen Zimmer müssen dreizehn demente Patienten die Nacht in einem hell erleuchteten Gemeinschaftsraum verbringen, teilweise im Bett fixiert. Recherchen von Panorama 3 ergeben, dieser Missstand ist kein Einzelfall. Angehörige berichten von ähnlichen Situationen.
"Da gab es keine Ruhephase. Mein Vater war immer wach - Licht - immer Licht. Er wollte sich zurückziehen, wurde aber immer wieder zurück in den Aufenthaltsraum gebracht", erinnert sich André Klewin, dessen Vater im Dezember 2012 stationär in Wunstorf untergebracht war. Bei Besuchen traf er seinen Vater so gut wie nie in dessen Zimmer an, stattdessen, so berichtet er Panorama 3, sei sein Vater immer wieder auch gegen dessen Willen in den Gemeinschaftsraum gebracht worden, oftmals fixiert im Bett oder am Rollstuhl, einmal sogar für 24 Stunden. Eine richterliche Genehmigung dafür habe es nicht gegeben.
Klinik spricht von "besonderer Situation"
Die Klinik sieht im Fall Klewin keine Behandlungsfehler. Und auch was die nächtliche Unterbringung im Gemeinschaftsraum betrifft - Beschwichtigungsversuche. Die ärztliche Leiterin der Klinik spricht von zeitweiser Überbelegung, die eine solche Betreuung notwendig gemacht habe: "Es war eine besondere Situation."
Im Jahr 2007 wurden die psychiatrischen Kliniken privatisiert, auch die in Wunstorf. Seitdem gehe es vielen Psychiatrien mehr um den Profit als um die Pflege, kritisiert Andreas Landmann, der im Auftrag des Landes Niedersachsen die Kliniken in der Region Hannover überprüft: "Das Ganze ist ein Konzern, es ist ein Betrieb, es sind Fabriken, in denen Gesundheit produziert wird, die dann eben auch damit Geld erwirtschaften wollen."
Zu dünne Personaldecke als Folge der Privatisierung?
Rund 4 Millionen Euro beträgt der jährlich ausgewiesene Gewinn im Klinikum Wunstorf seit 2009. Dies, so rühmt sich die Klinik, sei auch Ergebnis einer "defensiven Stellenbewirtschaftung", im Klartext: Personalabbau. Zur Zeit sind in Wunstorf 28 Stellen in Pflege und Verwaltung unbesetzt. Die dünne Personaldecke, offenbar mit ein Grund für die Pflegemängel, die in allen Berichten der Besuchskommission der letzten Jahre nachzulesen sind. Bislang blieben diese Berichte jedoch folgenlos. Im zuständigen Gesundheitsministerium in Hannover spricht man von "Ausnahmefällen".
Für Andreas Landmann ist das schwer nachvollziehbar. Er beklagt einen "Pflegenotstand" in den niedersächsischen Psychiatrien. Das Personal sei aufgrund des scharfen Sparkurses häufig überlastet, die Politik habe sich viel zu lange nicht gekümmert: "Erstaunlich, schließlich werden wir alle alt - jeder kann irgendwann selbst betroffen sein."