Postagenturen in Region Hannover zur Geldwäsche betrieben?
Kriminelle sollen über eigens betriebene Postagenturen in und um Hannover mutmaßlich illegal erworbenes Geld gewaschen haben. Es geht um 60 Millionen Euro. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Wie die Ermittler erst am Montag bekannt gaben, durchsuchten sie vor rund zwei Wochen 27 Objekte in Hannover in den Stadtteilen Bemerode, Linden, Limmer, Mitte, Nordstadt und Mittelfeld, sowie in Laatzen und Barsinghausen - darunter vier Postagenturen. Um welche es sich handelt, sagte die Staatsanwaltschaft nicht. Sechs mutmaßliche Bandenmitglieder wurden zeitweise festgenommen. Insgesamt wird gegen 15 Beschuldigte ermittelt - unter anderem wegen Geldwäsche und Betrugs.
So gingen die Täter laut Ermittlern vor
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Oliver Eisenhauer, erklärte am Montag das Vorgehen: Zunächst sei eine zweistellige Zahl Menschen aus dem osteuropäischem EU-Ausland in die Stadt geholt worden. Sie seien mit den Tatverdächtigen zur Bank "gekarrt" worden. "Dort mussten sie dann ein privates Girokonto eröffnen, ein geschäftliches, teilweise auch noch mehr Konten", sagte Eisenhauer. Beim Notar mussten sie zudem Bauunternehmen gründen. Nur: "Die konnten fast ausschließlich gar kein Deutsch", sagte der Sprecher. "Die haben gar nicht verstanden, was sie hier tun."
Strohmänner mussten Bankkarten an Täter abgeben
Kurz darauf seien diese sogenannten Finanzagenten wieder in ihre Heimatländer geschickt worden, sagte Eisenhauer. "Aber die Karten mussten sie hier lassen", sagte er. "Über deren Konten wurde dann über einen längeren Zeitraum outgecasht." Insgesamt 60 Millionen Euro seien so zwischen Mitte 2021 und Mitte 2023 in den Postbankfilialen abgehoben worden. So etwas sei seines Wissens nach in Deutschland vorher noch nicht passiert, sagte Eisenhauer.
Abhebungen in Postagenturen möglich
Postagenturen verwenden selbst den Begriff Postfiliale, es seien aber Agenturen, erklärte er. Die Deutsche Post betreibe fast keine Filialen mehr. Diese Postagenturen böten neben Postdienstleistungen teilweise auch bestimmte Finanzdienstleistungen wie Bargeldabhebungen für Kunden der Postbank an. Sie finden sich häufig in Form von Schaltern in Kiosken oder anderen Geschäften der Nahversorgung.
"Wir wissen nur, dass 60 Millionen in bar abgehoben wurden"
Normalerweise würden häufige Abhebungen über große Summen in einer Bank auffallen - "nicht jedoch unbedingt, wenn man eine eigene Postagentur betriebt", so Eisenhauer. Von den 60 Millionen abgehobenen Euro stammten zwei Millionen aus Betrugsdelikten, so viel wisse man bereits. Die Ermittler nannten Enkeltrick und Phishing. Woher aber die restlichen 58 Millionen stammen, sei bisher unklar. Auch wo die insgesamt 60 Millionen Euro hingeflossen sind, sei noch unklar. "Wir wissen nur, dass 60 Millionen in bar abgehoben wurden", sagte Eisenhauer.
Ermittler identifizieren Mitarbeiter über Kassensystem
Barauszahlungen in Postagenturen laufen über das Kassensystem, wie Eisenhauer weiter erklärte. Für eine Buchung müsse ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin angemeldet sein. "Darüber konnten wir identifizieren, wer die Abhebungen gemacht hat", erklärte Eisenhauer. Ob es die eingeloggten Mitarbeiter waren, oder ob die Abhebungen nur unter deren Namen gemacht wurden, sei noch unklar. Unter den insgesamt 15 Verdächtigen seien sieben Mitarbeiter. "Ob denen auch was vorgeschwindelt wurde, können wir aktuell noch nicht sagen", sagte Eisenhauer.
Teure Autos, Schmuck, Gold und Silber sichergestellt
Bei den Durchsuchungen am 23. April seien teure Gegenstände gefunden worden, Schmuck, Luxusautos, Gold, Silber, in einer Postagentur hätten 399.000 Euro in bar gelegen, sagte Eisenhauer. Insgesamt 600.000 Euro stellten die Einsatzkräfte sicher sowie zahlreiche elektronische Geräte und Unterlagen, Einbruchswerkzeug und eine Schusswaffe, wie es in der Mitteilung hieß. Außerdem wurden Konten und Immobilien der Beschuldigten mit einem Gesamtwert von rund 400.000 Euro von der Staatsanwaltschaft Hannover gepfändet.
Erste Betroffene aus Osteuropa vernommen
Was die "Finanzagenten" aus Osteuropa von der Sache hatten, ist Eisenhauer zufolge noch unklar. "Das können wir noch nicht so genau sagen." Die Betroffenen säßen alle im Ausland. Den ein oder anderen habe man schon vernehmen können. Bisher sei lediglich klar, dass sie in einem beruflichen Zusammenhang nach Deutschland geholt worden seien.
Staatsanwalt: "Keine legalen Geschäfte"
Was die Baufirmen gemacht haben, die die Osteuropäer gründen mussten, sei auch noch nicht ganz klar, so Eisenhauer. "Möglicherweise hat es hier tatsächlich Bauleistungen gegeben, die abgerechnet wurden". Es habe jedenfalls Rechnungsnummern gegeben. Die Leistungen seien aber über eine dritte, unbeteiligte Firma abgerechnet worden. Die habe keinen Betriebssitz, keine Maschinen, keine Angestellten, rein gar nichts, erläuterte Eisenhauer. Nur seien über die Konten der Baufirmen hohe Summen geflossen. Die Umstände deuteten angesichts der Summen darauf hin, dass das keine legalen Geschäfte waren, so Eisenhauer. Er stelle sich auf aufwendige Ermittlungen ein, die auch noch länger dauern werden.
Verdächtige wurden freigelassen
Die Beschuldigten seien auf freiem Fuß, für Haftbefehle habe es nicht gereicht, sagte er weiter. Eine Fluchtgefahr bestehe nicht, alle hätten hier Familie, ihre Geschäfte und mehr. Auch Verdunklungsgefahr bestehe nicht. Die Ermittlungsbehörden kooperierten mit der Deutschen Post. Über die Vorgänge gebe es Unterlagen. Die Deutsche Post habe das Vorgehen sofort gestoppt, sagte Eisenhauer. Die Beschuldigten dürften in ihren Läden keine Postbankdienstleistungen mehr anbieten.