Fachkräftemangel: Fahrradwerkstätten suchen dringend Personal
Dirk Fastabend könnte in seiner Fahrradwerkstatt in Hannovers Innenstadt rund um die Uhr arbeiten. Wer bei ihm jetzt einen Termin für eine Inspektion möchte, kommt frühestens im Juli dran.
Fastabends Auftragsbuch ist voll. Zwei bis drei Fachkräfte würde er sofort einstellen. Werkstatträume hat er nämlich genug. Doch die nutzt er jetzt als Lager. Niemand wolle mehr Fahrradmechaniker oder -mechanikerin werden, sagt Fastabend. Die Gründe sind seiner Ansicht nach zu wenig gesellschaftliche Anerkennung und vor allem zu wenig Geld. Fastabends letzter Mechaniker wechselte zur Feuerwehr. Auch wegen des höheren Gehalts: 5.000 Euro pro Monat müsse man künftig wohl bieten, sagt Fastabend - doch das könne sich keine Werkstatt leisten.
800 Auszubildende, 8.000 freie Jobs
Kein hannoversches oder niedersächsisches Phänomen: Bundesweit fehlen Fachkräfte in den Fahrradwerkstätten. Zwar werden jedes Jahr 800 ausgebildet - gebraucht werden aber 8.000. Der Fachverband für Fahrradwerkstätten, Verbund Fahrrad und Service (VSF) mit Sitz in Marburg, bietet seit wenigen Jahren Kurse an. Thema: Effizienteres Arbeiten in den Werkstätten. Das bedeutet unter anderem, dass hochqualifizierte Mechaniker keine Disponenten- oder Hilfstätigkeiten erledigen sollten.
Notfallreparaturen sind täglich einkalkuliert
Mit kaputten Bremsen werde niemand zurück auf die Straße geschickt, sagt Fastabend. Doch immer häufiger kämen Kundinnen und Kunden, die nicht mal allein Luft aufpumpen könnten oder deren Räder noch nie eine Inspektion mitgemacht hätten. Wer bei ihm gekauft habe, bekomme auch bevorzugt Termine, so der 58-Jährige. Seine Kundschaft gibt im Schnitt 4.000 bis 5.000 Euro für ein E-Bike bei ihm aus. Entsprechender Service werde da erwartet. Wer Billig-Räder im Internet kaufe, müsse sich da hinten anstellen. Nicht nur bei ihm.
VSF will Quereinsteiger in die Werkstätten locken
Seit der Corona-Pandemie hält der Fahrrad-Boom an. Zudem bieten immer mehr Arbeitgeber Fahrrad-Leasing an. Goldgräber-Stimmung liege in der Luft, so Fastabend. Das Fahrrad sei längst Teil der Verkehrswende. Um dem gerecht zu werden, müsse sowohl mehr ausgebildet als auch mehr Werbung für den Beruf gemacht werden. Der VSF arbeitet auch an einem neuen Konzept: Quereinsteiger-Ausbildung. Damit könne die Lücke schneller geschlossen werden, heißt es. Denn noch mindestens zwei Jahre, so die Rechnung des VSF, werde der Fachkräfte-Engpass in der Fahrradbranche noch andauern.