Sendedatum: 21.01.2014 21:15 Uhr

Prozess: Was auf dem Folterschiff geschah

von Sabine Puls & Jan Liebold

Es ist ein Prozess, wie es ihn am Landgericht Osnabrück noch nie gegeben hat. Ab Dienstag sitzt der Somalier Salaax M. auf der Anklagebank. M. soll maßgeblich an der Entführung und Geiselnahme des deutschen Chemikalientankers "Marida Marguerite" beteiligt gewesen sein.

VIDEO: Piratenprozess: Was auf dem Folterschiff geschah (7 Min)

Im Mai 2010 wird das Schiff etwa 1.000 Seemeilen vor der Küste von Oman von somalischen Piraten geentert. Die Seeräuber nehmen die Besatzung als Geisel, rufen die Reederei in Deutschland an. Sie fordern Lösegeld in Höhe von 15 Millionen Dollar und drohen die Geiseln zu töten.

Monatelanges Martyrium

Für die Crew der "Marida Marguerite", 22 Seeleute aus Indien, Bangladesch und der Ukraine, beginnt ein monatelanges Martyrium. Zeitweilig halten sich an Bord des entführten Schiffes bis zu 70 Piraten auf. Immer wieder misshandeln und demütigen sie die Besatzung, es kommt sogar zu Scheinhinrichtungen. Keiner der Seeleute weiß, ob und wann die Reederei das Lösegeld bezahlt und die Besatzung freikommt.

Der indische Schiffsingenieur Chirag B. ist damals eine der Geiseln. "Als die Lösegeldverhandlungen ins Stocken gerieten, begann die Folter", sagt er im Interview mit Panorama 3. "Sie schlugen uns mit Eisenstangen, weil sie dachten, wir hätten ein Handy an Bord versteckt. Einmal banden sie mir Hände und Füße hinter dem Rücken zusammen. Dann schnürten sie mir die Genitalien mit einem Kabelbinder ab. Über Stunden musste ich so liegen."

Kurz vor Weihnachten 2010 einigen sich Reederei und Piraten auf ein Lösegeld von 5 Millionen Dollar. Das Geld wird per Charterflieger über dem Schiff abgeworfen, die Piraten verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Auf der "Marida Marguerite" hinterlassen sie ein Bild der Verwüstung.

M. ein ranghoher Pirat?

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück ist sich sicher, dass der jetzt angeklagte Salaax M. eine führende Rolle bei der Schiffsentführung eingenommen hat. Demnach soll er als "Investor" finanzielle Mittel für die Beschaffung von Waffen, Drogen, Personal  und Lebensmitteln zur Verfügung gestellt haben. M. soll auch selbst regelmäßig an Bord gewesen sein. Ihn belasten Spuren, die nach der Freilassung des Schiffs von deutschen LKA-Beamten sichergestellt wurden. Demnach befinden sich auf einer Kladde, in der die Piraten Lösegeldzahlungen notiert haben sollen, die Fingerabdrücke von M. Für die Staatsanwaltschaft ein Indiz, dass M. ein ranghoher Pirat gewesen ist.

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Der Chemikalientanker "Marida Marguerite". © © NDR/LKA Niedersachsen
30 Min

Das Folterschiff

2010 wird die "Marida Marguerite" von somalischen Piraten entführt: Acht Monate bleibt die Crew in der Hand der Entführer, die auch vor Folter nicht zurückschrecken. 30 Min

Salaax M. gerät durch einen Zufall in die Hände deutscher Behörden. Weil er Asyl in Norwegen beantragen will und über Deutschland reist, kann ihn die deutsche Polizei bei einer Personenkontrolle im Mai 2013 als Entführer der "Marida Marguerite" identifizieren und festnehmen. M. selbst bestreitet, dass er einer der Anführer der Piraten ist. Er sei zwar an Bord des Schiffs gewesen, habe dort aber lediglich als Frisör und Hilfskoch gearbeitet, lässt er über seinen Verteidiger mitteilen.

Jetzt muss der Gerichtsprozess in Osnabrück klären, welche Rolle M. bei der Entführung wirklich gespielt hat. Bei einer Verurteilung drohen Salaax M. bis zu 15 Jahre Haft.

 

Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 21.01.2014 | 21:15 Uhr

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