Mit Penis-Foto erpresst: Sextortion-Opfer spricht über seinen Fall
Wer sich hinreißen lässt und ein Nacktfoto von sich im Internet verschickt, wird immer häufiger damit erpresst. Das LKA Niedersachsen hat im vergangenen Jahr 109 Fälle gezählt - ein neuer Höchststand.
Das Phänomen: Sextortion - zusammengesetzt aus Sex und Extortion (englisch: Erpressung). Die registrierten Fallzahlen steigen auch in diesem Jahr weiter an. Schon im ersten Halbjahr lagen sie "im oberen zweistelligen Bereich", sagte Antje Heilmann, Pressesprecherin des Landeskriminalamtes (LKA) in Hannover auf Anfrage des NDR Niedersachsen. Im selben Zeitraum im vergangenen Jahr waren es rund die Hälfte. Phillip (Name geändert), Mitte 20, aus Südniedersachsen gehört zu den neuen Fällen in diesem Jahr. Er hat ein "Genital-Selfie" verschickt und wurde damit erpresst.
Harmloser Anfang via Instagram und Snapchat
Peinlich und unangenehm sei das für ihn. Aber dennoch will er davon erzählen. "Vielleicht um andere vor der Dummheit zu bewahren," sagt er. Zuerst hat er eine Folgeanfrage auf Instagram bekommen und hat zugestimmt. Später kam eine Anfrage auf Snapchat dazu - von einer Frau, etwa sein Alter. Dass beide miteinander zusammenhingen, habe er erst später erkannt.
Unbekannte schickt zuerst Selbstportraits
Die Frau auf Snapchat war "gutaussehend" und so interessant, dass Phillip mit ihr gechattet hat. Wie geht’s? Was machst du? Beruf? Unverfängliche Belanglosigkeiten wurden ausgetauscht - "in schlechtem Englisch", wie Philipp erzählt. "Nur einen Tag später hat sie schon ein Foto von sich geschickt: knapp bekleidet, ein Selbstportrait vorm Spiegel." Auch Phillip habe sich dann oberkörperfrei fotografiert und zurückgeschickt. Und dann ging es ganz schnell.
"Ich möchte mal dein bestes Stück sehen"
Sie habe recht unverblümt gefragt, ob sie nicht mal sein bestes Stück sehen könne. "In dem Gedanken, ich bekomme etwas von ihr zurück, habe ich ihr ein Bild von meinem Penis geschickt." Nur wenige Minuten vergingen, dann kam eine Antwort, die einen Sturm in Phillip ausgelöst hat.
Erpressung mit Collage und Penis-Bild
Er bekam eine Collage mit mehreren Bildern und Screenshots von seinem Instagram-Profil und Snapchat-Account - darin auch sein Penis-Bild und die Überschrift: Vergewaltiger gesucht. Außerdem wurde er aufgefordert, für 300 Euro "Steam-Gutscheine" - ein Online-Spieleportal - zu kaufen und die Codes zu schicken. Andernfalls würde die Collage mit seinem Penis-Bild an seine Instagram-Follower versendet. "Es hat sich angefühlt wie ein kleiner Herzinfarkt. Man wusste, man hat Scheiße gebaut - und jetzt gibt’s die Quittung."
Nicht zahlen, gleich Anzeige erstatten
Aber: Gezahlt hat Phillip nicht. Er hat stattdessen die neue Snapchat-Bekanntschaft blockiert und auch den neuen Instagram-Follower herausgeworfen - beide hingen miteinander zusammen, so seine Vermutung. Und das Wichtigste: Phillip ist sofort zur Polizei in Göttingen gefahren und hat Anzeige erstattet. "Genau richtig", sagt Tabea Worlitschek, die Ermittlerin, die sich auch mit Phillips Fall befasst. "Wer zahlt, läuft Gefahr immer weiter erpresst zu werden." An zwei seiner Freundinnen hatte der Erpresser oder die Erpresserin schon die Collage verschickt. "Die hatten aber Verständnis," sagt Phillip.
Männer häufiger Opfer von Sextortion
Was Phillip erlebt hat, sei typisch. "Es sind eher Frauenprofile, die Männer anschreiben," sagt Ermittlerin Worlitschek. Wer tatsächlich dahinter steckt, könne die Polizei nur schwer ermitteln. Die Polizei registriert, dass weitaus mehr Männer Opfer dieser Masche werden. Und sie lobt den Mut von Phillip, trotz der Peinlichkeit zur Polizei gegangen zu sein.
Wie vor Sextortion schützen?
Folgende Tipps gibt die Ermittlerin, um sich vor Sextortion zu schützen:
- Keine intimen oder freizügigen Bilder aufnehmen und verschicken.
- Sich im Videochat niemals nackt zeigen oder sexuelle Handlungen an sich vornehmen.
- Social-Media-Accounts mit starken Passwörtern schützen (am besten Zwei-Faktor-Authentifizierung)
- Aktuelle Antivirenprogramme auf allen Geräten installieren.
- Wenn man erpresst wird: nie bezahlen, Screenshots von den Erpresserprofilen und Chatverläufen machen, sofort Anzeige bei der Polizei erstatten.
- Sollte das Video- oder Bildmaterial beispielsweise auf Youtube auftauchen, lassen Sie es über den Anbieter löschen.
Weißer Ring als Anlaufstelle für Opfer
Auch beim "Weißen Ring" melden sich mehr Männer als Frauen, die Opfer von Sextortion geworden sind, sagt Helen Wienands, Sprecherin des Weißen Rings in Niedersachsen. Der Verein unterstützt Opfer von Kriminalität. "Wir helfen auch anonym oder begleiten Sextortion-Opfer zur Polizei." Diese Botschaft richtet Wienands besonders auch an junge Mädchen, die auch Opfer dieser Masche werden. Für sie sei das Thema besonders schambehaftet und der der "Weiße Ring" könne Anlaufstelle sein, wenn sie sich nicht ihren Eltern anvertrauen können.