Hohe Betriebskosten: Ärztemangel verschärft sich in Niedersachsen
Die Inflationsrate von aktuell mehr als sechs Prozent setzt niedergelassene Haus- und Fachärzte in Niedersachsen unter Druck. Immer mehr Mediziner klagen, dass sich der Praxisbetrieb nicht mehr rechne.
Einnahmen und Ausgaben klaffen bei vielen Arztpraxen immer weiter auseinander. Auch Landarzt Eckhard Lummert aus Hänigsen bei Hannover klagt über ständig steigende Praxiskosten. Zudem nehme die Arbeitsbelastung enorm zu, erklärt der Hausarzt, der seit 21 Jahren praktiziert. In die Gemeinschaftspraxis kämen immer mehr Patienten, weil andere Praxen im Umland schließen würden. "Man merkt halt, dass Kollegen ausscheiden und keine Nachfolger mehr finden", so der Mediziner. Sein Arbeitsalltag beginne um 7 Uhr morgens und ende meist erst gegen 21 Uhr abends, erklärt er. Denn: Nach seinem Praxisbetrieb macht Lummert noch Hausbesuche.
Betriebskosten steigen deutlich an
Obwohl die Arbeitstage länger werden, würden die Einnahmen sinken, sagt der Landarzt. Das liege an den Betriebskosten, die in den zurückliegenden Jahren deutlich gestiegen seien. Verbandsmaterial, Heizkosten, Praxismiete - alles werde teurer. Auch die Gehälter der Medizinischen Fachangestellten seien innerhalb von vier Jahren um 16 Prozent gestiegen, erzählt Hausarzt Lummert. Er könne gutes Personal nur über eine bessere Vergütung halten.
Kassenärzte fordern eine bessere Finanzierung
Viele niedergelassene Mediziner, die am Freitag mit einer Protestaktion in Berlin auf ihre schwierige Lage aufmerksam machen wollen, fordern mehr Geld für ihre Praxen. Aktuell verhandelt die Kassenärztliche Bundesvereinigung mit den Krankenkassen über höhere Zahlungen für Behandlungen. Die Krankenkassen zeigen sich zugeknöpft. "Mit gestiegenen Preisen haben derzeit alle zu kämpfen", erklärt Hanno Kummer vom Verband der Ersatzkassen. Er rät dazu, die Verhandlungen in Berlin erst einmal abzuwarten. Der Verbandschef rechnet vor, dass es für die Ärzte in den zurückliegenden Jahren deutliche Honorarsteigerungen gegeben habe. Im vorigen Jahr hätten die Kassen 46 Milliarden Euro für die ambulante Versorgung in Deutschland gezahlt - 14 Milliarden Euro mehr als vor zehn Jahren.
Immer weniger Ärzte wollen eine eigene Praxis führen
Das Honorar der niedergelassenen Ärzte und Ärztinnen sei deutlich zu niedrig, erklärt hingegen Detlef Haffke von der Kassenärztlichen Vereinigung in Niedersachsen (KVN). Unter schlechten Bedingungen werde es für die niedergelassenen Ärzte immer schwieriger, Nachwuchs zu finden. Auch Marion Charlotte Renneberg, stellvertretende Präsidentin der Ärztekammer Niedersachsen warnt vor einer Zuspitzung der Lage im ambulanten Bereich. Sie unterstützt die Forderungen der KVN.
Der 14-Stunden-Tag ist wenig attraktiv
Aktuell können in Niedersachsen etwa 550 Hausarztstellen nicht besetzt werden. Jeder vierte Kassenarzt ist mittlerweile angestellt. Neun von zehn ausgebildeten Ärzten seien mittlerweile weiblich, so die KVN. Und die jungen Ärztinnen würden versuchen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen. 14-Stunden-Tage kämen für die junge Generation nicht mehr in Frage. Das zeigen aktuelle Umfragen der Kassenärztlichen Vereinigung.