Häusliche Gewalt: Anstieg in Niedersachsen über dem Bundesschnitt
In Niedersachsen gab es im vergangenen Jahr mehr Fälle von häuslicher Gewalt. Landesweit liegt der Anstieg bei 11 Prozent - und damit über dem Bundesdurchschnitt von 8,5 Prozent.
Das geht aus dem Lagebild häusliche Gewalt des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor, den Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Dienstag in Berlin vorgestellt hat. Niedersachsenweit hat die Polizei im vergangenen Jahr knapp 27.000 Fälle von häuslicher Gewalt registriert. Das sind im Schnitt 74 Fälle - pro Tag. Meist würden Frauen körperlich und psychisch verletzt, hieß es.
Landespolizeipräsident: Bereitschaft zu Anzeigen gestiegen
Laut Landespolizeipräsident Axel Brockmann gibt es für die vergleichsweise hohen Zahlen in Niedersachsen keine "monokausale Erklärung". Er nennt als Hauptursache eine gestiegene Anzeigebereitschaft. "Opfer trauen sich eher als in den Jahren zuvor zur Polizei zu gehen und auch Anzeige zu erstatten", so Brockmann.
"Das Sicherheitsgefühl von Kindern kann massiv gestört werden"
Der Kinderschutzbund warnt, dass auch häufig Kinder mit betroffen sind. Sie reagierten sensibel auf Stimmungen, selbst wenn sie die Gewalt zwischen Eltern nicht direkt sehen oder hören. "Kinder haben ein sehr hohes Sicherheitsbedürfnis", sagt Daniela Rump, Vorstand des Kinderschutzbundes Niedersachsen. "Sie bekommen darüber mit, dass Zuhause etwas nicht stimmt und leiden darunter. Das Sicherheitsgefühl von Kindern kann dadurch massiv gestört werden." Die ganze Gesellschaft müsse aufmerksamer sein, so Rump. Der Kinderschutzbund verlangt, dass die Politik Hilfsangebote und Beratungsstellen ausbaut und finanziell unterstützt, damit Familien schnell und unbürokratisch Hilfe bekommen.
Jede dritte Frau wird Opfer
Laut Lagebericht wird jede dritte Frau mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher oder sexualisierter Gewalt. Experten gehen zudem davon aus, dass die Dunkelziffer sehr hoch ist. Der bundesweite Anstieg häuslicher Gewalt wurde in den Jahren zuvor vor allem als Begleiterscheinung der Corona-Krise erklärt. Doch die Entwicklung setzt sich fort. Eine Erklärung: Finanzielle Sorgen in Familien könnten eine Rolle spielen.
Wer den Gang an die Öffentlichkeit scheut, kann auch über Hilfetelefone Unterstützung erhalten: Über die Telefonnummer 116 016 können sich Frauen kostenlos, anonym und vertraulich rund um die Uhr melden. Für gewaltbetroffene Männer gibt es unter der Telefonnummer (0800) 12 39 900 das Hilfetelefon "Gewalt an Männern". Kinder, Jugendliche und Eltern können auch anonym und kostenlos unter dem Kinder- und Jugendtelefon "Nummer gegen Kummer" unter 116 111 anrufen.