Bewerber zu schlecht: Unternehmen finden keine Auszubildenden
Unternehmen in Niedersachsen haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Das zeigt eine Umfrage des Verbands Niedersachsenmetall. Bemängelt werden die Kompetenzen der Bewerber.
Zudem seien auch mangelnde Soft Skills wie Pünktlichkeit, Teamarbeit und Lernbereitschaft zu beobachten. "Wir fangen morgens um 7 Uhr an, da erwarte ich, dass die Auszubildenden hier einsatzbereit stehen", sagt beispielsweise Matthias Kynast, Ausbilder der Photovoltaik-Firma Sonnentaler in Hildesheim. Die Erfahrung habe jedoch gezeigt, so Kynast, dass man dies nicht mehr immer erwarten könne. Laut Kynast zeigen viele Auszubildende weniger Leistungsbereitschaft. Firmenchef Floyd Janning betonte zudem, dass auch Social Media den Bewerberinnen und Bewerbern ein falsches Bild des Arbeitsalltags vermitteln würde. "Das, was auf Social Media gezeigt wird, hat oft nichts mit dem echten Leben zu tun: Dass jemand sein Leben zeigt als Influencer oder als Youtuber, der morgens um 10 Uhr aufsteht, ein paar witzige Videos dreht und sich abends glücklich ins Bett legt."
Mangelnde Kompetenzen der Auszubildenden in MINT-Fächern
Eine Umfrage von 14 Arbeitgeberverbänden und der Stiftung Niedersachsenmetall unter 620 mittelständischen Unternehmen bestätigt dieses Empfinden. Von 73 Prozent der befragten Unternehmen hieß es, dass die Qualität der Bewerber abnimmt - teilweise sogar stark. Die Kompetenzen der Bewerberinnen und Bewerber gehen laut Umfrage vorwiegend in den sogenannten MINT-Fächern zurück - also in Mathematik und naturwissenschaftlichen Fächern. In der Umfrage hieß es von jedem zweiten Unternehmen, dass sie mehr Auszubildende einstellen würden, wenn es bessere Bewerber gebe. Im April dieses Jahres waren laut Niedersachsenmetall 30.000 Ausbildungsplätze als offen gemeldet, diesen standen jedoch nur 21.000 Bewerber gegenüber.
Ausbildung statt Studium - egal ob mit oder ohne Abitur
Grundsätzlich sei auch nicht immer das Abitur Voraussetzung für einen Ausbildungsplatz, sagt Volker Schmidt, Hauptgeschäftsführer von Niedersachsenmetall. "Die Unternehmen sind im eigenen Interesse sehr engagiert und aufgeschlossen bei der Einstellung von Nachwuchskräften", erklärt Schmidt. Das Angebot umfasse sogar deutlich mehr Stellen, für die ein Real- oder Hauptschulabschluss ausreichend ist. Zudem sei nicht jeder Abiturient für ein Studium gemacht, kritisiert Schmidt. Es sei wichtig, verstärkt für die Ausbildung zu werben und deutlich zu machen, dass eine klassische berufliche Qualifizierung mindestens genauso viele Vorzüge habe wie ein akademisches Studium.
Corona hat Teilhabechancen von Jugendlichen weiter verschlechtert
Das Bildungsnivenau der Schülerinnen und Schüler in Deutschland zeige im Trend deutlich nach unten. Corona habe, so Schmidt, diesen Abwärtstrend noch einmal deutlich verstärkt. Vor allem seien Jugendlichen von den Folgen der Pandemie-Bekämpfung betroffen, deren Teilhabechancen schon davor nicht zum Besten gestanden hatten. "Das gesamte Pandemie-Management im Schulbereich setzte auf Maßnahmen, die im Grunde genommen auf gutsituierte Familien zugeschnitten waren, mit Eltern, die über eine gute Bildung und hohe Einkommen verfügen. Nicht aber auf diejenigen, die ohnehin bereits hinten dran waren", erklärte Schmidt. Er sprach in diesem Zusammenhang auch von einer "Corona-Generation", die im Zuge der Pandemie entstanden sei. "Dies alles fällt Wirtschaft und Gesellschaft heute mit Wucht auf die Füße und wird uns auf Jahre belasten", sagt Schmidt.
IG Metall: Unternehmen müssen in Azubis investieren
Auch die Gewerkschaft IG Metall Bezirk Niedersachsen und Sachsen-Anhalt sieht dringenden Handlungsbedarf mit Blick auf die Situation der Ausbildungsplätze. Bezirksleiter Thorsten Gröger kritisiert aber auch, dass Unternehmen sich stärker um Auszubildende bemühen müssten: "Auf der einen Seite sehen wir, dass viele Betriebe auch lauthals nach Fachkräften lechzen und auf der anderen Seite nicht bereit sind, in Auszubildende zu investieren oder ihnen eine Übernahmegarantie zu geben." Auch sei das Bildungsniveau der Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Jahren bundesweit gestiegen. "Wir haben akute Arbeitskräftelosigkeit - da sollten die Kriterien der Auslese vielleicht auch weniger selektiv gewählt werden", erklärt Gröger. Eine Ausbildung könne zwar keine Schullaufbahn auffangen. Seiner Meinung nach könnten Arbeitgeber jedoch aus Bewerberinnen und Bewerber, die den Ansprüchen auf dem Papier nicht gerecht würden, "mit einem Mehr an Betriebsengagement vor Ort vielleicht wahre Diamanten formen".