Skandal um giftige Hüftprothesen
Hüftprothesen aus Metall haben viel Unheil in den Körpern von Patienten angerichtet. Dennoch konnten sich einige Produkte lange auf dem Markt halten. Paradebeispiel ist der britische Hersteller DePuy, der seine "Metall-auf-Metall"-Hüften über eine Vertriebsfirma im Saarland in deutsche Krankenhäuser und damit in die Patienten brachte. Schätzungsweise 6.000 Menschen bekamen in Deutschland zwischen 2004 und 2010 ein Modell von DePuy eingebaut.
Knochenschäden, Nekrosen und Tumore
Die Betroffenen haben meist ein schlimmes Schicksal. Knochenschäden, Nekrosen und Tumore sind häufige Nebenwirkungen. Weil sich Pfanne und Kugel der Prothese berühren, entsteht Metallabrieb. Giftiges Kobalt gelangt ins Blut. Gabriele Lühmann aus Hamburg bekam 2008 eine DePuy-Hüfte. Damals war sie 46 Jahre alt. Seitdem kämpft sie mit Schmerzen. "Früher habe ich viel Sport getrieben. Skifahren, Tauchen, Radfahren, das geht alles nicht mehr. Ich kann nicht einmal mehr richtig gehen oder sitzen. Das ist nicht wieder gut zu machen," sagt die heute 53-jährige Berufsschullehrerin.
Staatsanwaltschaft erhebt Anklage
Jetzt hat die Staatsanwaltschaft Saarbrücken Anklage gegen den Geschäftsführer des Vertreibers im Saarland erhoben, wegen "Inverkehrbringen gesundheitsgefährdender Medizinprodukte." Die Strafverfolger werfen dem Vertreiber der künstlichen Metallhüften vor, von den Problemen gewusst und die Produkte dennoch weiter in Deutschland verkauft zu haben. Statistiken in Australien etwa hätten gezeigt, dass die Depuy-Prothesen seit 2005 eine "Revisionsrate über dem Durchschnitt" aufwiesen.
"Spätestens 2007 hätte das Produkt in Deutschland vom Markt genommen werden müssen," sagt Rechtsanwalt Jörg Heynemann, der 600 Geschädigte in Deutschland vertritt. Erst 2010 startete DePuy einen "Rückruf" in Deutschland. Anfang Juli will das Landgericht Saarbrücken entscheiden, ob es die Anklage zulässt.
Auch das Kontrollsystem trägt Schuld
Im übertragenen Sinn bringt der Fall DePuy das gesamte Kontrollsystem für Medizinprodukte in Deutschland auf die Anklagebank. Denn die zuständigen Behörden haben wenig bis nichts unternommen, um Druck auf Hersteller und Vertreiber auszuüben. Dass etwa das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte seit 2008 von Problemen mit der DePuy-Hüfte wusste, geht aus der Anklageschrift hervor, die Panorama 3 vorliegt. Die Aufsichtsbehörde veröffentlichte allerdings keine so genannte Risikobewertung des Produkts, was sie hätte tun können. Stattdessen empfahl man dem saarländischen Amt für Umwelt und Arbeitsschutz, den Vertreiber zu einem Rückruf zu bewegen. Das habe das Landesamt 2009 abgelehnt. So verstrich wertvolle Zeit und viele weitere Patienten bekamen die fatale Prothese. Das Bundesgesundheitsministerium teilt auf Anfrage mit, man arbeite an einer "besseren Überwachung" von Medizinprodukten. Details werden nicht genannt.