Kommentar: Immer mehr Hass und Hetze im Internet
"Moralisch verwerflich und menschenverachtend" nennt die Hamburger Polizei die Kommentare, die Userinnen und User auf X, ehemals Twitter, zu der Geiselnahme am vergangenen Sonntag am Flughafen Hamburg gepostet haben. Internetplattformen und Justiz müssen konsequenter gegen Hasskommentare vorgehen, meint Helena Schwar in ihrem Kommentar.
Zahlreiche Userinnen und User fordern im Netz, den Geiselnehmer vom Flughafen zu erschießen. Das ist kein böser Scherz, sondern Realität. Auch wir im NDR haben viele menschenverachtende Kommentare unter unseren Postings bekommen: "Kopfschuss, dann hat sich das erledigt" oder "Warum wird nicht einfach das Auto bombardiert?" - das sind nur zwei Beispiele.
Diffamierung, Hass, Rassismus
Dazu kommen zahlreiche Kommentare auch zu anderen Themen, die zwar weniger drastisch sind, aber dennoch eine klare Tendenz in Richtung Diffamierung, Hass oder Rassismus zeigen. "Ekelhaft, wie fett die Alte ist" oder "Der scheiß Ausländer soll seine Fresse halten".
Was die Polizei erlebt, ist leider auch der Alltag von vielen Community-Managerinnen und -Managern. Zu bestimmten Themen kommen die immer gleichen Kommentare. Wut und Beschimpfungen sind austauschbar. Viele Verfasserinnen und Verfasser sehen sich von der freien Meinungsäußerung geschützt und werfen uns Zensur vor, wenn wir uns schützend vor die Beschimpften stellen und Hasskommentare löschen.
Ton im Netz ist schärfer geworden
In den vergangenen Jahren ist der Ton im Netz schärfer geworden. Die Flüchtlingskrise 2015 und die Corona-Pandemie haben diesen Trend verstärkt: Das Kommentaraufkommen ist gestiegen und damit auch die Wut der Userinnen und User auf die Wissenschaft, auf die Politik und auch auf den Öffentlich-Rechtlichten Rundfunk. Diese Wut ist bis heute nicht abgeklungen und trifft auch banale Themen, da kann schon einmal die Installierung eines Wickeltisches auf einem Spielplatz für eine kleine Wutwelle sorgen.
Wir wissen, dass die Mehrheit in den sozialen Medien still ist und nur mitliest. Die, die kommentieren, gehören meist einer kleinen wütenden Minderheit an. Doch es gibt viele Userinnen und User, die an der Schwelle zum Hass stehen. Sie sind wütend auf dieses Land und ihre Politik, fühlen sich allein gelassen und sind verzweifelt. Und wenn sie uns ihre Geschichten erzählen, dann denkt man manchmal: zurecht. Wir wollen, dass sich diese Userinnen und User mitteilen, damit wir die Stimmung der Menschen kennen und ihre Themen in unsere Berichterstattung aufnehmen können. Wir wollen miteinander sprechen, auf Fragen eingehen und helfen. Doch das ist schwierig, wenn so viele wütende Kommentare nur so auf uns einprasseln.
Es muss sich etwas ändern
Es muss sich also etwas ändern. Im vergangenen Jahr gab es in Hamburg insgesamt 361 Straftaten im Kontext von Hasskriminalität. Das klingt wenig. Und auch die Plattformbetreiber sind zu Meldungen an die Justiz nur im geringen Maße verpflichtet. Beide, Justiz und Plattformen, müssen Hass im Netz stärker bekämpfen, damit die hetzerische Minderheit nicht mehr so viel Raum einnehmen kann. Damit ein Austausch ohne Hass und Beleidigungen mit den Userinnen und Usern stattfinden kann, die es wert sind: nämlich die, die fair, kritisch und sachlich sind und verstehen, dass man einen Menschen nicht einfach so erschießt, schon gar nicht vor den Augen seiner vierjährigen Tochter.