Sendedatum: 27.06.2017 21:15 Uhr

Ausnahmezustand: Hochrüsten für G20

von Linda Luft, Leonie Puscher, Esra Özer, Djamila Benkhelouf, Philipp Hennig & Nino Seidel

Sperrzonen, Polizei und Protestler - in Hamburg laufen die Vorbereitungen für den G20-Gipfel am 7. und 8. Juli auch schon Tage und Wochen zuvor auf Hochtouren. Panorama 3 hat sich mit Aktivisten der linken Szene getroffen, Grenzkontrollen der Polizei begleitet, die extra eigerichtete Gefangenensammelstelle in Augenschein genommen und mit denen gesprochen, die ihre Wohnungen untervermieten oder Demonstranten umsonst bei sich aufnehmen. Eine Reportage durch eine Stadt im Ausnahmezustand.

VIDEO: Ausnahmezustand: Hochrüsten für G20 (14 Min)

Übernachten in der Stadt  - von kostenlos bis extrem teuer

Drei Zimmer, Küche, Bad und eine 50 Quadratmeter große Terrasse vermieten Kerstin und Jan Hansen aus Ottensen. Ihre Wohnung im beliebten Stadtteil bieten sie extra für G 20 Besucher an. Vier Erwachsene können in ihrer 120 Quadratmeter Wohnung schlafen - wenn man die Couch auszieht sogar sechs. Die Hansens wissen, dass Schlafplätze in Hamburg begehrt sind. Da kommt der G20 Gipfel wie gerufen. Die komplett eingerichtete Wohnung ist kein Schnäppchen: 600 Euro verlangt das Paar pro Nacht und ist zuversichtlich, dass die Wohnung auch angemietet wird. "Die Nachfrage ist riesig. Selbst in meinem Büro hat mich schon ein Kollege gefragt, ob evtl. zwei Leute aus seiner Familie unterm Konferenztisch schlafen können, weil es einfach keine Zimmer gibt." Lukrativ für die Hansens.

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Inge Mertes hat sich bei der Bettenbörse angemeldet und bietet kostenlos Schlafplätze an. Sieben Personen oder mehr möchte die Alt-68erin in ihrem Haus unterbringen. Ganz egal wo. 1 Min

Anders bei Inge Mertes - sie ist gegen Kapitalismus, bietet kostenlos Schlafplätze an. Die ehemalige Lehrerin war schon immer politisch interessiert. Das spiegelt sich auch in Ihrem Garten wider. Da hat vor Kurzem die internationale Politik Einzug gehalten. Ihre Hühner heißen Melania und Donald. Den Namen habe das Huhn der auffällig orangenen Farbe zu verdanken.

Sieben Personen oder mehr möchte die Alt-68erin in ihrem Haus unterbringen. Ganz egal wo. "Wenn jemand auch hart schlafen gewöhnt ist, dann kann er sich sogar auf den Teppich legen."

Solidarische Bettenbörsen

Angebote für kostenlose Schlafplätze gibt es bei der sogenannten Bettenbörse. Diese laufen bei Thomas Deuber von Attac, einem Zusammenschluss von Globalisierungskritikern, zusammen. 50 Einträge gibt es bereits in und um Hamburg. "Bei der Bettenbörse geht es auch vor allem darum, dass man bei Leuten unterkommt, die dazu auch ein solidarisches Verhältnis haben, weshalb man hierher gekommen ist und zwar ohne den Gedanken, da möglichst viel Geld rauszuschlagen", erklärt Deuber. Solidarisch sind nicht nur Privatpersonen, sondern auch zum Beispiel die alevitische Gemeinde auf St. Pauli. Hier wird extra das Gemeindehaus frei geräumt, um für rund 80 Personen einen Schlafplatz anzubieten - Frühstück und eine warme Suppe inklusive.

Grenzkotrollen - auf der Suche nach potentiellen Gewalttätern

Die Bundespolizei kontrolliert alle deutschen Grenzen, um die Einreise von gewaltbereiten G20 Störern aus dem Ausland zu verhindern. In Flensburg an der deutsch-dänischen Grenze ist Polizeihauptmeister Frank Solterbeck auf der Suche nach potenziellen Gewalttätern. Doch die sind gar nicht so leicht zu erkennen. Er vertraut seinem Instinkt: "Das ist auch Bauchgefühl und polizeiliche Erfahrung." Vor allem Busse und Minivans sind für die Beamten interessant. Denn die könnte man auch als Schlafplatz nutzen. Das sei typisch fürs "Klientel". Noch winkt Frank Solterbeck die meisten durch, doch kurz vor dem Gipfel rechnet er mit mehr gewaltbereiten G20 Gegnern.

Nagelneu für G20: Gefangenenzentrum in Hamburg-Harburg

Gefangenenzentrum in Hamburg-Harburg
Nato-Draht und Sammelzellen: das Gefangenenzentrum in Hamburg-Harburg.

Ein 35.000 Quadratmeter großes Areal ist mit Nato-Draht gesichert. Insgesamt bietet die Gefangenensammelstelle Platz für 400 Insassen. Dort sollen festgenommene Demonstranten registriert und zeitweise eingesperrt werden. Die Sammelzellen bieten je Platz für fünf Personen. Es gibt aber auch genügend Einzelzellen für besonders Aggressive oder Auffällige. Vor zu viel Andrang hat die Polizei offenbar keine Angst. Während des Gipfels werden dann 140 Staatsanwälte und mehrere Richter vor Ort sein, die entscheiden, wie es mit den Gefangenen weitergeht. Das soll entsprechend schnell gehen: "Mehr als sechs bis acht Stunden sollen sich hier die Personen nicht aufhalten",  so Polizeisprecher Ulf Wundrack. Auf die Nachfrage, was passieren wird, wenn doch mehr Unruhestifter kommen als erwartet, wollte man jedoch noch keine Angaben machen.

Demos gegen G20

G20 Gegner mobilisieren auch im Internet, mit martialischen Videos soll der G20 Gipfel geentert werden. Die Gruppe "Roter Aufbau Hamburg" zählt laut Polizei zu gewaltbereiten G20 Gegnern. Gegen G20 wollen sie nicht nur friedlich demonstrieren. Was sie planen, verraten sie nicht, Gewalt lehnen sie aber auch nicht ab. "Wir finden die Frage Gewalt ist so ein bisschen scheinheilig. Es wird vor allem darüber diskutiert, wenn irgendwelche Steine fliegen."

Sie sehen den Gipfel als ein Symbol des Kapitalismus und rufen zu Demonstrationen auf: "Vor allem, wenn sie nach Hamburg kommen, müssen wir dem was entgegensetzen", sagt ein Sprecher des Roten Aufbaus Hamburg.

Krankenhäuser rüsten auf

Auch die Krankenhäuser bereiten sich vor. Neben dem UKE, dem Diakonieklinikum und zwei Asklepios-Häusern ist das Marienkrankenhaus während des G20-Gipfels als einer von fünf sogenannten First Respondern eingeplant. Sie sind bei einem möglichen Massenanfall als erstes zuständig. Mit einem Dekontaminationszelt können sie auf einen möglichen Massenanfall von Verletzten reagieren. Dass das Zelt zum Einsatz kommt, glaubt Oberarzt Roland Möllenberg jedoch nicht. Üben möchten sie trotzdem. 60 Sekunden braucht das Zelt, um einsatzbereit zu sein. Im Notfall muss es eben schnell gehen. Und auch sonst hat das Krankenhaus für genügend Medikamente und Verbandsmaterial vorgesorgt.

"Sicherlich ist jetzt auch die Gefahr bei einem G20, dass durch Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei vermehrt Patienten in die Krankenhäuser kommen. Aber das ist eine Lage, auf die wir eigentlich jeden Tag eingestellt sind", berichtet Chefarzt Michael Wünning.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 27.06.2017 | 21:15 Uhr

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