Theologischer Freiheitskämpfer - Jürgen Moltmann gestorben
Schriften wie "Theologie der Hoffnung" machten ihn weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. Nun ist der evangelische Theologe Jürgen Moltmann im Alter von 98 Jahren gestorben. Susanne Richter hat im Juni 2016 mit ihm gesprochen.
Selbst der "Spiegel" hat sich aufgeregt: In den 60er-Jahren war Professor Jürgen Moltmann so etwas wie ein Revoluzzer. "Christen müssen zu Kindern des Protestes werden. Intolerant gegenüber den Mächten des Status quo." Ein politischer Ansatz mit Dampf. Theologische Begriffe wie "Reich Gottes" offenbarten sich als gesellschaftlich brandaktuell. Verehrt von den einen, umstritten von anderen. "Hat Jürgen Moltmann vielleicht kommunistische Tendenzen", wurde gemunkelt. Nun ist der der evangelische Theologe im Alter von 98 Jahren gestorben.
Ein Freiheitskämpfer im sprituellen Sinne
Fest steht: Berührungsängste - auch mit heißen politischen Themen - hatte er nie. Und seine "Theologie der Hoffnung" ist zu Recht immer noch ein Klassiker und ein Standardwerk in der Theologie.
Sein politisches Engagement und seine Liebe zu dem Hiobvers 36,16 "So reißt er auch dich aus dem Rachen der Angst in einen weiten Raum, wo keine Bedrängnis mehr ist; und an deinem Tische, voll von allem Guten, wirst du Ruhe haben", gehen auf frühe Kriegserfahrungen in Hamburg zurück: "Für eine Woche waren Tausend Flugzeuge über der Stadt Nacht für Nacht und haben Ost-Hamburg im Feuersturm vernichtet. Und in der letzten Nacht traf die Bombe auch uns und zerriss den Schulfreund neben mir und verschonte mich auf unerklärliche Weise. Und in jener Nacht habe ich zum ersten Mal nach Gott geschrien. Und die Frage war, die mich bis heute um Antwort suchen lässt, warum bin ich am Leben und nicht tot, wie der Freund neben mir. Wozu lebe ich?"
Konnten Sie darauf eine Antwort finden?
Prof. Jürgen Moltmann: Noch nicht, die Antwort habe ich erst in dem Kriegsgefangenen Lager in Schottland gefunden.
Was war da in Schottland? Was hat Ihnen da geholfen?
Moltmann: Die Bibel, besonders Psalm 39: "Ich bin verstummt und muss mein Leid in mich fressen, schweige nicht zu meinen Tränen." Das sprach mir aus der Seele, besser als die Goethe und die Schiller Gedichte.
Sie haben einmal gesagt, dass Sie sich auch noch lange Zeit nach der Gefangenschaft innerlich noch gefangen gefühlt haben. Was kann da helfen in solchen Situationen?
Die Erfahrung des Glaubens und die Erfahrung der Liebe.
Und wie geht das, die Erfahrung des Glaubens?
In Gott, im Gebet, weitet sich das Herz und man spricht aus, was man sonst nicht aussprechen kann. Und es geht nicht um Kirche, sondern um Gott und den Trost, den mir göttliche Gegenwart, die uns von allen Seiten umgibt, spendet.
Sie sind nun ein ganz politischer Theologe. Der weite Raum, ist das nicht auch ein politischer Auftrag?
Ja, wenn man barmherzig ist, dann lädt man die Elenden in seinem Lebensraum ein und lässt sie dort leben. Das geschieht mit Flüchtlingen zur Zeit, dass Menschen ihren Lebensraum öffnen und die Flüchtlinge teilnehmen lassen an ihrem Leben. Und insofern ist der weite Raum auch eine politische Kategorie.