Von Morgenfeiern bis Gottesdienste - 100 Jahre Kirche im Radio
Der 29. Oktober 1923 startet im Berliner Vox-Haus der Sendebetrieb der "Deutschen Stunde", es ist der Beginn von 100 Jahren Radio in Deutschland. Bereits im November können Hörerinnen und Hörer auf Welle 400 die erste Morgenfeier hören, eine Radioandacht.
Ab 1924 gehören kirchliche Wortbeiträge dann zum festen Bestandteil der acht Regionalsender im damaligen Deutschen Reich. Mitschnitte gibt es nicht. Erst ab 1929 werden bestimmte Sendungen aufgezeichnet. So zum Beispiel ein Radiogottesdienst aus dem Überschwemmungsgebiet der Weserniederung südlich von Worpswede im Winter 1932.
Ihr Schiffer und Fischer und Schiffer fern von der Heimat. Wisst ihr noch, wie einsam Ihr wart, ehe wir mit Euch feierten? Heute seid Ihr verbunden mit uns. Auszug aus einem Radiogottesdienst aus Worpswede im Jahr 1932
"Mit Gott gegen Hitler" - Bonhoeffer übt Kritik im Radio
Als die Nazis 1933 an die Macht kommen, machen sie aus dem Rundfunk ein Propaganda-Instrument. Die kirchlichen Morgenfeiern bleiben zunächst unangetastet. Am 1. Februar 1933 spricht Dietrich Bonhoeffer in der Berliner Funkstunde, setzt sich kritisch mit dem Führerbegriff auseinander. Im ARD-Dokudrama "Mit Gott gegen Hitler" wird sein Rundfunkvortrag nachgestellt. Der Schauspieler Matthias Koeberlin verkörpert den damals 26-jährigen Theologen.
Jeder Führer wird sich der Begrenzung seiner Autorität bewusst sein müssen. Lässt er sich von dem Geführten dazu hinreißen, deren Idol darstellen zu wollen, wird aus dem Führer der Verführer. Schauspieler Matthias Koeberlin im ARD-Dokudrama "Mit Gott gegen Hitler"
Andachten und Gottesdienste - Sendezeiten für die Kirchen
Bonhoeffers Beitrag, eine mutige Ausnahme. 1939 werden die Morgenfeiern im Radio vom NS-Regime dann allerdings abgeschafft. Sie kehren erst nach der Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus ins Radio zurück - in Ost und West. In den westlichen Besatzungszonen gründen die Alliierten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk; staatlich unabhängig, gesellschaftlich verankert - für eine demokratische Bundesrepublik. Die Kirchen werden einbezogen, bekommen für Andachten und Gottesdienste Sendezeiten zugesprochen. Das gilt übrigens genauso für die jüdischen Gemeinden und einige andere Religionsgemeinschaften. Geregelt in Staatsverträgen, im Privatfunk entstehen später ähnliche Vereinbarungen. So kommt es, dass seit gut 100 Jahren Andachten und religiöse Beiträge - mal seelsorglich, mal ethisch-christlich - zum Radioprogramm in Deutschland gehören.