Totensonntag: Der Tod gehört zum Leben dazu
Der November ist der Monat des Gedenkens. Er endet traditionell mit dem Toten- oder Ewigkeitssonntag, eine Woche vor dem ersten Advent.
Wie befremdlich ist es für manche Besucher des Holms in Schleswig: In der Mitte der alten Fischerhäuser ist ein Friedhof angelegt - mit Kapelle. "Ist das nicht schrecklich, den Tod immer vor Augen zu haben?", fragt sich so mancher Besucher. Die Holmer leben mit Ihren Toten. Manche Grabstätte eines Angehörigen wird danach ausgesucht, ob sie vom eigenen Haus aus zu sehen ist.
Totensonntag: Im Leben und im Tod zusammenstehen
Des Todes gedenken, der Toten sich erinnern, bedeutet auch und gerade das Leben zu schätzen. Das ist die Tradition des Holms: im Leben und im Tod zusammenstehen. In leven en dood tosamen staan - so heißt es in ihrer Gildeordnung. Die Scheu unserer Zeit vom Tod zu reden, nimmt sie nicht auch die Ehrfurcht vor dem Leben, diese Wertschätzung des Lebens, dass jeder Tag, den wir miteinander verbringen dürfen, ein Geschenk ist?
"Die Endlichkeit meiner Lebenstage geben ein weises Herz"
Friedhöfe erinnern an die Endlichkeit unserer Tage. "Lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." So wird in einem Gebet in der Bibel Gott angefleht (Psalm 90). In einer anderen Übersetzung heißt es: "Lehre uns unsere Tage zählen, dass wir ein weises Herz gewinnen." Die Tage zählen, nicht die Jahre, das macht weise. Die Bibel denkt in viel kürzeren Zeiteinheiten, als wir es gewohnt sind. Nicht Sehnsucht nach der Unendlichkeit meiner Lebenszeit, sondern die Endlichkeit meiner Lebenstage geben mir ein weises Herz, lassen mich klug werden und meine Tage nutzen und auch genießen.
Ich wünsche ihnen, dass Sie am Totensonntag in Frieden auf die Gräber derer blicken können, die von Ihnen gegangen sind, und mit Zuversicht auf die Tage sehen, die kommen werden.