Theresa Brückner: "Glaube gibt die Kraft, an Dingen im Leben nicht zu zerbrechen"
Theresa Brückner ist die erste Pastorin für die Kirche im digitalen Raum. Dort hält sie auch Gottesdienste und spricht über Glaubensthemen. Als "theresaliebt" ist sie eine der wichtigsten "Sinnfluencerinnen" der evangelischen Kirche. Susanne Richter hat sie interviewt.
Theresa Brückner: Die Menschen sind nun mal auf Social Media und das bedeutet, dass dort die Zielgruppe gerade die sind, die oftmals nicht mehr in die Kirche gehen. Also bei meinem Account beispielsweise ist die Zielgruppe so zwischen 25 und 45. Das ist die größte Zielgruppe, die aus der Kirche austritt und die folgen mir dort. Das heißt, die erleben Kirche noch mal auf ganz andere Art und Weise und sind oftmals nicht mehr primär immer in den Kirchgebäuden.
Sie die Inhalte anders?
Brückner: Bildästhetik ist für mich ein ganz wichtiger Punkt und dann geht es darum, eine Sprache zu verwenden, die die Leute sprechen. Das heißt, ich hab meine gesamte Sprache - auch in Gottesdiensten - verändert. Ich nutze wirklich Alltagssprache und versuche, keine Fremdworte zu benutzen und schreibe dann über das, woran ich persönlich glaube, was für mich Kirche bedeutet, was für mich Glauben bedeutet. Zum Thema "Tod und Sterben" beispielsweise, und das sehr persönlich und echt.
Um Verkündigung, wie man so sagt, geht es da trotzdem auch?
Brückner: Ja, natürlich. Also für mich ist immer klar, ich bin gerade auf Social Media sichtbar als Person und gleichzeitig aber auch mit meinem Glauben, weil das ja automatisch zu mir als Person dazu gehört. Verkündigung bedeutet eben, dass auch irgendwie ja mein ganzes Leben eine Form von Verkündigung ist. Das heißt, ich habe mich entschieden, mein Leben im christlichen Glauben zu gestalten, ich glaube an Gott, und dementsprechend ist das auch immer Teil meines Alltags.
Im Gegensatz zu vielen Gemeinden, wo ja die Besucherinnen- und Besucherzahlen runtergehen, haben Sie ja einen großen Zulauf. Was ist da das Geheimnis? Wie würden Sie das sehen?
Brückner: Ich glaube, das Geheimnis ist, dass die Leute es konsumieren können zu Zeiten, zu denen sie gerade wollen oder wenn es ihnen in die Timeline gespült wird. Das ist ja schon nochmal ein enormer Unterschied, ob man digital sich etwas anguckt oder ob man sich wirklich auf den Weg macht, an einen Ort und sich dort etwas anguckt. Dafür braucht man einfach viel mehr Zeit.
Spielt die Anonymität dabei auch eine Rolle, dass man sich da mehr traut?
Brückner: Ja, natürlich. Das ist für einige ein ganz wichtiger Punkt, und das habe ich jetzt gerade immer wieder erlebt im Zusammenhang damit, dass ich das Thema sexualisierte Gewalt immer wieder auch thematisiere. Wir haben ja da in der evangelischen Kirche im Januar die Forumsstudie veröffentlicht, über die Aufarbeitung zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche. Das thematisiere ich sehr regelmäßig, und ich erlebe es, dass gerade in diesem Zusammenhang sich immer wieder auch Betroffene melden, die dann auch dankbar sind für diese Anonymität - durch gerade diese Online-Möglichkeit. Und die mir erzählen, was Ihnen passiert ist oder mit denen ich im Gespräch bin und ich auch immer gucke, wie kann ich da unterstützen oder helfen und die Anlaufstellen nennen. Und immer schaue: Was kann ich damit gestalten und begleiten?
Was ist für Sie die Stärke des Christentums?
Brückner: Also eine der wichtigsten Stärken ist, dass Glaube die Kraft gibt, an Dingen im Leben nicht zu zerbrechen. Und das bedeutet nicht, dass das durch den Glauben alles leichter wird, sondern das bedeutet, dass man nicht alleine durchs Leben geht, und das ist für mich eine Stärke, die hat mich durchs Leben getragen und ich bin sehr dankbar dafür, dass ich das durch meinen Beruf auch einfach hauptberuflich weitergeben kann.
Das Interview führte Susanne Richter. Redaktion: NDR