Auf einer gestickten Friedenstaube liegt ein silberner Peaceanhänger © picture alliance Foto: Christian Ohde

Kolumne: "Ein Raum für Frieden"

Stand: 02.11.2023 09:55 Uhr

Wer in einem Streit für Frieden sorgen will, muss als Außenstehender das verbindende Element bleiben, meint Susanne Richter. So eine Haltung brauche es jetzt auch im Bezug auf den Nahen Osten.

von Pastorin Susanne Richter

Wer hat Schuld? Auf welcher Seite stehst du? Wer hat Recht? Nach Gewaltausbrüchen kommen solche Fragen irgendwie immer. In der Weltpolitik, aber auch bei uns im Kinderzimmer. Wenn es so richtig geknallt hat, dann sind leise Zwischentöne, "sowohl als auch", und gegenseitiges Mitgefühl erstmal nicht gefragt.

"Sie hat angefangen, sie hat gehauen!" heult mein Sohn. "Er hat mich beleidigt, ganz fies", brüllt meine Tochter. Und ich soll dann Partei ergreifen. Früher bin ich voll reingeschlittert. Und das hat niemandem geholfen. Am Ende bin ich wütend geworden und hab auch nur noch rumgebrüllt. Das hat dann alles nur schlimmer gemacht.

Ich bin immer noch keine gute Streitschlichterin. Aber eins habe ich langsam begriffen: Wenn es knallt, muss ich als Außenstehende nicht nur die Ruhe bewahren. Wenn ich für Frieden sorgen will, dann muss ich das verbindende Element bleiben. Ich schaffe es leider nicht so oft. Es fordert meine volle Konzentration und Herzenswärme. Aber wenn, dann kommen sich meine Kinder wieder näher, weil ich jeden einzelnen von ihnen sehe - mit ihrer Wut und ihrem Schmerz. Dadurch entsteht ein neuer Raum. Nicht durch Schuldzuweisung.

Als Außenstehende Annäherung möglich machen

Ich glaube, etwas Ähnliches brauchen wir auch jetzt in Bezug auf den Nahen Osten. Der Vergleich hinkt, da geht es um keinen Kinderstreit, das ist klar. Aber auch dort dürfen wir nicht platt Partei ergreifen, wie es auf Demos in Deutschland gerade leider geschieht. Wenn wir uns hineinziehen lassen von der einen oder anderen Seite, dann ist niemandem geholfen.

So ähnlich hat es der israelische Historiker Yuval Noah Harari gesagt: Als Außenstehende müssen wir einen Raum für Frieden freihalten. Die Konfliktparteien sind zu sehr in ihrem Schmerz gefangen. Unsere Aufgabe ist es, für die Möglichkeit zu stehen, dass sich Feinde irgendwann wieder annähern können. Mir hat das Mut gemacht. Wir stehen nicht nur hilflos herum, sondern sind aktiv gefragt mit unserem Mitgefühl und unserer Haltung. Die ist nämlich wirksam.

Friede als reale Heilungserfahrung

Susanne Richter © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
"Damit es irgendwann Frieden geben kann, muss es Menschen geben, die weiterhin an ihn glauben", sagt Radiopastorin Susanne Richter.

Damit es irgendwann Frieden geben kann, muss es Menschen geben, die weiterhin an ihn glauben. Nicht als Utopie und Friede-Freude-Eierkuchen. Sondern als eine reale Heilungserfahrung. Ich glaube, die kann geschehen, wenn der Schmerz auf beiden Seiten gesehen wird. Für mich hat das viel mit Glauben zu tun.

Der amerikanische Bürgerrechtler Martin Luther King hat es so passend gesagt: "Dunkelheit kann Dunkelheit nicht vertreiben, das kann nur Licht. Hass kann Hass nicht vertreiben, das kann nur die Liebe."

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 05.11.2023 | 07:30 Uhr

Ein Herz, Kreuz und Anker aus Silber vor blauem Hintergrund © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka

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